Volltext: Meine Kriegserinnerungen

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Tamienberg 
aber noch nicht. Es stellte sich leider zunächst heraus, daß Usdau noch nicht 
genommen sei. Wir bekamen es erst in den späteren Vormittagsstunden. Die 
Narew-Armee war jetzt taktisch durchbrochen. Das I. A. K. warf den Feind 
über Soldau zurück und marschierte auf Neidenburg ab. 
Das XX. A. K., stark erschöpft, focht nicht so erfolgreich. Auch weiter 
nördlich wurde kein Gelände gewonnen. Nicht voll befriedigt kehrten wir 
am Nachmittage nach Löbau zurück. 
Bei unserem Eintreffen kam die Meldung, daß das I. A. K. geschlagen 
sei. Die Trümmer träfen bei Montowo ein. Die Nachricht war schwer zu 
glauben. Eine Fernspruchanfrage bei der dortigen Bahnhofskommandantur 
ergab aber, daß sich dort Truppen des I. A. K. sammelten. Später stellte 
sich heraus, daß es sich nur um ein Bataillon handelte, das in eine schwierige 
Lage gekommen war und nachgegeben hatte. Auch recht eilig durch Löbau 
zurückgehende Trainkolonnen brachten neue Unruhe. Auf den Führer stürmt 
viel ein. Er muß gute Nerven haben. Der Laie glaubt zu leicht, im Kriege 
wäre alles nur ein Rechenexempel mit bestimmten Größen. Es ist alles 
andere, nur das nicht. Es ist ein gegenseitiges Abringen gewaltiger unbe 
kannter physischer und seelischer Kräfte, und zwar um so schwieriger, je größer 
die eigens Unterlegenheit ist. Es ist ein Arbeiten mit Menschen von ver 
schiedener Charakterstärke und mit eigenen Gedanken. Der Wille des Führers 
allein ist der ruhende Pol. 
Alle Männer, die Führermaßnahmen kritisieren, sollten erst Kriegsgeschichte 
lernen, sofern sie nicht den Krieg in Führerstellen mitgemacht haben. Ich 
möchte ihnen wünschen, einmal selbst eine Schlacht leiten zu müssen. Sie 
würden bei der Unklarheit der Lage und den gewaltigen Anforderungen vor 
der Größe der Aufgabe erschrecken und — bescheidener werden. Für einen 
Soldaten gibt es nichts Größeres, aber auch nichts Schwereres, als an der 
Spitze einer Armee oder des ganzes Feldheeres zu stehen. 
Wir erhielten in Löbau am späten Abend noch die Meldung, daß das 
I. R. K. Wartenburg erreicht habe. Vor dem XVII. A. K. war das russische 
VI. A. K., das am 26. bei Gr.-Böstau geschlagen war, in vollem Rückzüge 
über Ortelsburg: es wurde südlich Bischofsburg abermals geworfen. Dorthin 
verfolgten schwächere Kräfte, während das Gros des XVII. A. Ks. am Abend 
des 27. bei Mensguth und nördlich lagerte. 
Für den 28. war nur zu befehlen, daß das I. A. K. sich in den Besitz von 
Neidenburg zü setzen habe. Es war inzwischen selbst nach dorthin abgedreht. 
Das XX. A. K. sollte den Angriff, der ihm für den 27. aufgegeben war, durch 
führen, insonderheit die 41. Inf. Div. scharf vortreiben. Die Ldw. Div. v. der 
Goltz hatte Hohenstein anzugreifen. Das I. R. K. und das XVII. A. K. wurden 
westwärts auf Allenstein—Passenheim unter Sicherung gegen Ortelsburg 
herangezogen. 
Wir fuhren am 28. früh nach Frögenau. und standen am Ostausgang 
des Dorfes unter freiem Himmel. General v. Scholtz war in der Nähe. Mit 
dem I. A. K. verband uns eine jämmerliche Feldfernsprechleitung. Mit den 
anderen Vorbänden war Verbindung überhaupt nicht möglich. 
Die Eindrücke, die wir zunächst erhielten, waren keineswegs günstig. 
Neidenburg war zwar genommen. Die 41. Inf. Div. hatte Waplitz im Nebel 
angegriffen und war abgeschlagen. Sie hatte sehr schwer gelitten, stand jetzt 
westlich davon und sah einem feindlichen Gegenangriff nur mit großer Sorge
	        
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