Der 8. August und seine Folgen
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nordwestlich Roye. Auch die 9. Armee, selbst gefährdet, mußte auf meinen
Befehl h'n abgeben. Natürlich vergingen Tage, ehe die Truppen von weiter
her eingetroffen sein konnten. Kraftwagenkolonnen wurden in ausgedehntestem
Umfange zu ihrem Transport ausgenutzt.
Ich gewann bereits in den ersten Vormittagsstunden des 8. August ein
vollständiges Bild der Lage. Es war sehr trübe. Ich sandte sofort einen
Generalstabsoffizier auf das Kampffeld, um eine Anschauung von dem Zustand
der Truppe zu erhalten.
Sechs bis sieben deutsche Divisionen, die durchaus als kampfkräftig an
gesprochen werden konnten, waren vollständig zerschlagen. Drei bis vier und
die Trümmer der zerschlagenen standen bereit, den weiten Raum zwischen Bray
und Roye zu schließen.
Die Lage war ungemein ernst. Falls der Feind weiterhin nur einiger
maßen scharf angriff, konnten wir uns westlich der Somme nicht mehr be
haupten.
Am 9. August gewann der Feind, der es, uns zum Glück, an Angriffskraft
fehlen ließ, zwischen Somme und Avre zwar noch weiter 'Gelände; auch nörd
lich der Somme mußte die 2. Armee ihre Front etwas zurücknehmen. Allein
es gelang ihr, südlich der Somme eine zusammenhängende, wenn auch nur
dünn besetzte Front zu bilden. Die Truppen schlugen sich erheblich besser, als
es am Tage vorher die Divisionen zwischen der Somme und dem Luce-Bach
getan hatten. Bemerkenswert war die gute Haltung der kurz vor der Schlacht
wegen Übermüdung abgelösten Divisionen. Die Gegend nordwestlich Roye
wurde behauptet. Die 18. Armee konnte in ihren nun weit vorspringenden
Stellungen nicht verbleiben und mußte zurückgenommen werden. Sie führte
diese schwierige Bewegung in der Nacht zum 10. aus. Am nächsten Morgen
griff der Franzose ihre bisherigen Stellungen heftig an, die nun planmäßig
auch von den Nachhuten aufgegeben wurden. Naturgemäß mußte die Armee
viel Gerät zurücklassen.
Am 10. und 11. wurde südlich Albert und zwischen Somme und Avre
erbittert, doch erfolgreich gekämpft, während der Feind zwischen Avre und
Oise scharf nachdrängte und hier heftig anfaßte.
Die nächsten Tage zeitigten an der ganzen Schlachtfront örtliche Kämpfe.
Unsere Truppen standen wieder fest, aber die 2. Armee blieb innerlich brüchig,
während die 18. Armee voll abwehrkräftig war.
Der Kräfteverbrauch bei der 2. Armee war sehr groß gewesen. Ihre Re
serven waren bei ihrem Einsatz ebenfalls stark beansprucht. Bon einigen Divi
sionen hatte die Infanterie aus den Kraftwagen heraus, die dazu gehörige
Artillerie an anderer Stelle eingesetzt werden müssen. Die Verbände waren
stark durcheinander gekommen. Unsere Verluste waren durch den Abgang
an Gefangenen außerdem derartige gewesen, daß die O.H.L. wieder vor der
Notwendigkeit stand, weitere Divisionen zur Ersatzgestellung aufzulösen.
Unsere Reserven verminderten sich. Demgegenüber hatte der Feind nur einen
ungemein geringen Kräfteverbrauch gehabt. Das Stärkeverhültnis hatte sich
zu unseren Ungunsten erheblich verschlechtert. Es muhte um so ungünstiger
werden, je mehr amerikanische Truppen eintrafen. Eine Hoffnung, durch einen
Angriff unsere Lage grundlegend zu verbessern, gab es nicht mehr. Es galt
also nur noch, hinzuhalten. Auf Fortsetzung der feindlichen Angriffe mußten
wir jetzt unbedingt gefaßt sein. Der Erfolg war dem Feind zu leicht geworden.