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Dagegen ist bei Dingen, die von einem Tag zum an¬
dern geschehen können, die Überraschung viel denkbarer, und
so ist eS denn auch oft nicht schwer, dem Feinde einen
Marsch und dadurch eine Stellung, einen Punkt in der
Gegend, einen Weg abzugcwinnen u. s. w. Allein es ist
klar: daß, was die Überraschung nach dieser Seite hin an
Leichtigkeit gewinnt, an ihrer Wirksamkeit verloren geht,
so wie diese nach der andern Richtung hin immer zunimmt.
Wer da glaubt, daß sich an solche Überraschung in klei¬
nen Maaßregeln oft Großes anknüpfcn ließe, z. B. der
Gewinn einer Schlacht, die Wegnahme eines bedeutenden
Magazins, der glaubt Etwas, was allerdings sehr denkbar
ist, was aber die Geschichte nicht bewährt, denn cs sind
im Ganzen sehr wenig Beispiele, wo aus solchen Über¬
raschungen Großes hervorgegangen wäre, woraus man wohl
ein Recht hat, auf die Schwierigkeiten zu schließen, die
in der Sache liegen.
Freilich muß, wer die Geschichte in solchen Dingen
befragt, sich nicht an gewisse Paradepferde der histori¬
schen Kritik, an ihre Sentenzen und selbstgefälligen Ter-
minologieen halten, sondern dem Faktum selbst in die
Augen sehen. Es giebt z. B. einen gewissen Tag im Feld¬
zuge von 1761 in Schlesien, der in dieser Beziehung eine
Art Berühmtheit hak. Es ist der 22. Juli, an welchem
Friedrich der Große dem General Laudon den Marsch nach
Nossen bei Neisse abgewann, wodurch, wie eö heißt, die
Vereinigung der östreichischen und russischen Armee in Ober¬
schlesien unmöglich, und also für den König ein Zeitraum
von vier Wochen gewonnen wurde. Wer dieses Ereigniß
in den Hauptgeschichtschreibern *) umständlich nachlies't und
Tempelhvf, der Veteran, Friedrich der Große.