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Chwostow, eine martialische Soldatenerscheinung
mit weißem Haar und Bart, eröffnete mir in kaum
unterdrückter Aufregung: „Es ist einfach nicht mehr
zu ertragen! Was ich auch mit meinen Truppen unter
nehme —i immer treffen die Deutschen drüben solche
Maßnahmen, die meine Pläne vereiteln und uns
schwerste Blutopfer kosten. Es hat den Anschein, als
wüßten sie stets meine geheimsten Absichten bis ins
Detail. Deshalb wage ich kaum mehr, Dispositionen an
meine Unterführer auszugeben. Alles wird ja verraten.“
Ich hörte den General an und fragte: „W e r erfährt
somit, Exzellenz, Ihre Anordnungen vor jedem beab
sichtigten Unternehmen?“
„Bloß noch die Offiziere meines engsten Stabes,
der Generalstabschef und die Adjutanten. Also jene
wenigen Personen meiner nächsten Umgebung, denen
ich genau so vertrauen kann wie mir selber.“
„Hegen Exzellenz oder diese Ihre Vertrauten nach
irgendeiner Richtung hin auch nur den geringsten
Verdacht?“
„Das ist es eben: nicht die leiseste Spur eines sol
chen“, beteuerte in tiefer Verzweiflung der Feldherr.
Diese Mitteilung des hohen Generals enttäuschte
mich ganz und gar nicht. Hatte ich ja in meiner bis
herigen Tätigkeit die vielseitige Erfahrung gemacht,
daß, je raffinierter der Spionagefall, um so weniger
ein von Haus aus Verdächtigter der Schuldige zu sein
pflegt. Deshalb entgegnete ich:
„Gestatten Exzellenz eine etwas sonderbar klin
gende Frage. Sie dünkt mich aber im Interesse der