der friedlichen Sommestellung, in der es lange Monate hindurch gelegen hatte,
entführt, und schon seit einigen Tagen lagen meine Kameraden in den Unter¬
künften von Courtisols. Diese Ortsveränderung hatte ihren Sinn: es handelte
sich um einen Angriff von mächtiger Flügelweite, um einen Vorstoß, wie er von
der französischen Armee bisher noch nie versucht worden war. Ernsthafte und
sichere Nachrichten, an denen kein Zweifel möglich war, besagten — und Carvez
senkte die Stimme, als er dies erzählte — daß der Durchbruch erzwungen werden
sollte. Die Landschaft wimmelte von Truppen. Castelnau würde den Oberbefehl
führen, und man nannte auch einen anderen, noch fast unbekannten Namen:
Pötain.
Bei diesen Worten fühlte ich in mir eine strahlende und heitere Leichtigkeit er¬
wachen: nun war also dieser Stellungskrieg beendet, dessen Eintönigkeit uns wie
ein fahler Schimmel umschloffen hatte, die öde Landschaft, in der wir zehn Monate
geweilt hatten, von Untätigkeit und Langeweile verzehrt, lag hinter uns, und über¬
wunden war die Tatenlosigkeit, inmitten deren unsere Kräfte sich vergebens er¬
schöpft hatten, einen Schimmer im Ungewiffen zu erspähen. Traumhaft brach
eine ungeheure Hoffnung über mich herein, eine große Erwartung, die wie eine
elektrische Spannung im Umkreis zu zittern schien. Die letzten Sonnenstrahlen
belegten den Weg, auf dem wir langsam dahinschlenderten, mit Gold. Die durch
Vaumgruppen und Gärten getrennten Gehöfte reihten sich mit langen Zwischen¬
räumen aneinander. In der Stille dieses Abends ruhten sich unsere Kanoniere
vom Tagewerke aus wie in einem lauen Vad, sie kamen gruppenweise mit schwer¬
fälligen Schritten vorbei oder standen im Gespräch um die Schwellen der Häuser
geschart. Die Spitzen der Kirchtürme schienen sich mächtiger emporzurecken; sie
waren in die letzten Ströme des Lichts getaucht. Bei ihrem Anblick dachte ich, daß
ebenso wie sie aus der weitgegliederten Harmonie dieser Landschaft das Leben, das
sie beseelte, zu schöpfen schienen, so auch der große Angriff aus der elementaren
Kraft und der Angriffslust unserer Mannschaft in das Licht des Erfolges empor¬
stoßen würde.
Wir blieben noch einige Tage in Courtisols. Am Abend des 20. August bekamen
wir Befehl, während der Nacht aufzubrechen und in den Wäldern um Croix-en-
Champagne Lager zu beziehen.
Die Nacht war dunkel und mit Wolken verhängt. Das Rollen der Wagen, das
Stampfen der Pferde, das Klirren der Ketten, ein wirrer und vielfältiger Lärm
verriet allein, daß inmitten der schlafenden Landschaft ein Heer von unsichtbaren
Gestalten auf dem Marsche war. Zuweilen entriß das Aufblitzen einer Taschen¬
lampe oder der Lichtstrahl, der aus der Türspalte eines einsamen Gehöftes fiel, die
Gestalt eines Pferdes, die Umriffe einer Kanone oder den Helm und den Mantel
eines Fahrers aus der Dunkelheit. Dann fiel alles wieder in die Nacht
zurück.
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