Volltext: Hier spricht der Feind

Die -eutfthe Irühjahrsoffensive 
Erinnerungen eines Porlu vom 57. Infanterieregiment 
Aus dem Werk: „L'agonic du Mont-RenaudS* 
Von G. Gaudy. Verlag Librairie Pion, Paris. 
Wir nähern uns im Lastauto Compiögne. Ich zähle die Kilometersteine an der 
Straße. Kein Irrtum mehr möglich, es geht da hinab. In Compiögne find wir 
nachmittags um 3 Uhr und halten unterm Vesperlüuten. Eine Menschenmenge 
umgibt uns alsbald: „Ihr geht auf Noyon zu? Oder nach Montdidier? Da 
unten geht's heiß zu! Die Engländer können nicht mehr durchhalten!" Man läßt 
fich die letzten Zeitungsnachrichten erzählen, aber alles, was man erfahren kann, 
ist, daß ein kolosialer Druck fich auf die englische Front gelegt hat. Am meisten 
erregt die allgemeine Neugier die Nachricht, daß ein weittragendes Geschütz Paris 
beschießt. Nun, das ist stark. Einige zucken geringschätzig die Schultern und 
halten die Nachricht für eine Presieente. Mehrere behaupten, daß deutsche 
Flieger Bomben abgeworfen haben, und machen fich über diese Gimpel von 
Parisern lustig, die fie für Granaten gehalten haben. Ich bleibe überrascht und 
höre einen Sergeanten, der sich mit Artilleriekenntnissen großtut und es für un¬ 
möglich erklärt, mit den modernsten Geschützen gewiffe Grenzen zu überschießen. 
Man hat im Verlauf dieses Krieges so viele überraschende Fortschritte verzeichnet, 
und diese Erfindung zum Beispiel wäre gehörig!... Man bricht aus. Die Stadt ist 
voll von sonntäglichen Zivilisten, die uns winken, manche Frauen weinen. Die 
Menge ist ernst, und ihr Ernst gewinnt uns. Da kommt mir auch mein Kriegerstolz 
wieder, und im Grunde meines Herzens läßt sich die Stimme der Pflicht ver¬ 
nehmen: „Sei tapfer, kleiner Soldat, die Heimat schaut auf dich!" Ein Flieger¬ 
angriff von der letzten Nacht hat Spuren in einem Stadtviertel hinterlasien. Häuser 
find aufgerissen, und in aller Eile hat man die Straße aufräumen müffen, um freie 
Durchfahrt für uns zu bekommen. 
Die Nacht ist schon niedergesunken, und wir fahren immer noch. Einmal haben wir 
uns verfahren und sind auf einen Feldweg geraten. Die Wagenführer fluchen 
und schimpfen aufeinander. Wir müffen absteigen, anschieben. Als ich meinen 
Platz auf der Bank wieder einnahm, glaubte ich das Echo einer fernen Kanonade 
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