Volltext: Kant's System der reinen Vernunft auf Grundlage der Vernunftkritik [4. Band. Zweite rev. Auflage] (4,2 / 1869)

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er selbst von den Wirkungen des Lächerlichen eine rein physio 
logische Erklärung*). 
5. Das Genie. 
sKant und Schelling.s 
Wir haben den Begriff der Kunst bestimmt und eingetheilt. 
Jetzt entsteht die Frage: wie ist die Kunst möglich? Der Ge 
schmack erklärt das ästhetische Urtheil, nicht das ästhetische Pro 
duct. Welches also ist das künstlerische Vermögen? Das Schöne 
ist die Absicht der Kunst, aber nicht die Wirkung dieser Absicht; 
die Kunst handelt gesetzmäßig ohne Gesetz, absichtlich ohne Ab 
sicht. Das Gesetz, wonach die Kunst schafft, ist keine Verstan 
desregel , keine Kunstvorschrist; also kann dieses Gesetz nur eine 
Naturnothwendigkeit innerer Art sein: es ist die Natur des Künst 
lers, die das Gesetz giebt, es ist eine angeborene Gemüthsan 
lage, die der Kunst die Regel vorschreibt. Diese Anlage ist 
Genie, das Kunstwerk ist Product des Genies, und die Kunst 
selbst nur durch Genie möglich. 
Das Genie ist nicht die Geschicklichkeit, nach einer Regel zu 
handeln, sondern die Macht, die Regel zu geben: es ist schöpfe 
risch und durchaus originell. Seine Originalität ist gesetzmäßig 
und darum vorbildlich; nicht alles Originelle ist genial, auch der 
Widersinn kann originell sein : das Genie ist in seiner Ursprüng 
lichkeit mustergültig oder exemplarisch. Es handelt mustergültig 
und zugleich vollkommen natürlich, es ist in keiner Weise durch 
den Verstand oder Willen gemacht, in keiner Weise von der Re 
flexion abhängig: es ist in seiner Art völlig reflexionslos oder 
*) Ebendas. I Th. I Abschn. II Buch. §. 54. Anmerkg. - Bd. 
VII. S. 195—202 (bes. S. 198, 200). Vgl. ebendas. Allg. An 
merkung zur Expos, der ästh. refl. Urth. — Bd. VII._S. 131 flgd.
	        
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