Volltext: Kant's System der reinen Vernunft auf Grundlage der Vernunftkritik [4. Band. Zweite rev. Auflage] (4,2 / 1869)

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sam eine allgemeine jedem Menschen verständliche Sprache der 
Empfindungen ist, die Tonkunst diese für sich allein in ihrem 
ganzen Nachdruck nämlich als Sprache der Affeete ausübt und so 
nach dem Gesetze der Affoeiation den damit natürlicher Weise ver 
bundenen ästhetischen Ideen allgemein mittheilt; daß aber, weil 
jene ästhetischen Ideen keine Begriffe und bestimmten Gedanken 
find, die Form der Zusammensetzung dieser Empfindungen (Har 
monie und Melodie) nur dazu dient, vermittelst einer proportio- 
nirten Stimmung derselben die ästhetische Idee eines zusammen 
hängenden Ganzen einer unnennbaren Gedankenfülle einem ge 
wissen Thema gemäß, welches den in dem Stücke herrschenden 
Affeet ausmacht, auszudrücken." 
In dieser Bedeutung als schöne Kunst steht die Musik über 
den bildenden Künsten, die von der Malerei durch die Bildhauerei 
zur Baukunst herabsteigen; als angenehme Kunst beurtheilt, die 
nur mit Empfindungen spielt und keine bestimmten Vorstellungen 
bietet, steht die Musik unter der bildenden Kunst und ist von 
allen Künsten die unterste. Sie geht von Empfindungen zu un 
bestimmten Ideen, die bildende Kunst von bestimmten Ideen zu 
Empfindungen; die plastischen Eindrücke sind bleibend, die mu 
sikalischen vorübergehend. Zu dieser der Musik ungünstigen Ver 
gleichung fügt Kant noch den Vorwurf, den er persönlich gegen 
die Musik auf dem Herzen hat: „außerdem hängt der Musik ein 
gewisser Mangel an Urbanität an, daß sie vornehmlich nach Be 
schaffenheit ihrer Instrumente ihren Einfluß weiter als man ihn 
verlangt (auf die Nachbarschaft) ausbreitet, und so sich gleich 
sam aufdrängt, mithin der Freiheit anderer außer der musi 
kalischen Gesellschaft Abbruch thut, welches die Künste, die zu 
den Augen reden, nicht thun, indem man seine Augen nur weg 
wenden darf, wenn man ihren Eindruck nicht einlassen will. Es
	        
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