Volltext: Kant's System der reinen Vernunft auf Grundlage der Vernunftkritik [4. Band. Zweite rev. Auflage] (4,2 / 1869)

592 
sind z. B. alle Zierrathen, wie Schmuck, Rahmen u. dgl. die 
nende Schönheiten oder „ästhetische Parerga". Daher nennt 
Kant alle Objecte des ästhetischen Wohlgefallens, in denen sich 
eine Gattung verkörpert, „anhängende Schönheiten^', weil ihre 
Betrachtung den Gattungsbegriff voraussetzt und ihre Schönheit 
diesem Begriffe gleichsam anhängt. Jedes Kunstwerk ist nach 
einer Idee geschaffen, die in unserer Betrachtung gegenwärtig 
sein muß, oder wir können das Kunstwerk selbst nicht ästhetisch 
beurtheilen. Das Gebiet der freien Schönheit, wie Kant diesen 
Begriff aufsaßt, wird darum nicht in der Kunst, sondern bloß 
in der Natur entdeckt werden. Auch die animalische Naturschön 
heit ist noch anhängender Art. Wir müssen die Gattung, den 
Typus des Thier- und Menschenleibes kennen, um diese Lebens 
formen ästhetisch zu würdigen und sie als schön oder nicht schön 
zu beurtheilen. Je nachdem sich die Gattung vollkommener oder 
unvollkommener in dem Individuum ausprägt und darstellt, be 
stimmt sich das ästhetische Urtheil. Hier verbindet sich der Be 
griff der Schönheit mit dem der Vollkommenheit, das ästhetische 
Wohlgefallen mit dem intellectuellen. So zieht sich das Gebiet 
der freien Schönheit zurück auf den Schauplatz des ungebunde 
nen, elementaren Naturlebens. Je absichtsloser die Naturer 
scheinungen sind, je weniger sie etwas Bestimmtes bedeuten, um 
so freier ist ihre Schönheit, um so reiner ihre ästhetische Wir 
kung. So werden wir mit dem Begriffe der freien und unge 
bundenen Schönheit hingewiesen auf das Stillleben und die land 
schaftliche Natur; so rechtfertigt sich Rousseau's ästhetische Em- 
psindungsweise noch vor dem Richterstuhle der kantischen Kritik. 
Zugleich bemerken wir, wie nach der kantischen Theorie Schön 
heit und Erhabenheit in der objectiven Welt unendlich weit von 
einander abstehen, wie sie gleichsam die Pole der ästhetischen Welt
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.