Volltext: Kant's System der reinen Vernunft auf Grundlage der Vernunftkritik [4. Band. Zweite rev. Auflage] (4,2 / 1869)

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Erläuterung gewählte Beispiel ist gerade in dieser Rücksicht gut 
und lehrreich, denn es läßt den Punkt, auf den es ankommt, 
deutlich hervorspringen. „Wenn mich jemand fragt, ob ich den 
Palast, den ich vor mir sehe, schön finde, so mag ich zwar 
sagen: ich liebe dergleichen Dinge nicht, die bloß für das An 
gaffen gemacht sind, oder wie jener irokesische Sachem: ihm ge 
falle in Paris nichts besser als die Garküchen; ich kann noch 
überdem auf gut rousseauisch auf die Eitelkeit der Großen schmä 
len , welche den Schweiß des Volkes auf so entbehrliche Dinge 
verwenden. Man kann mir alles dieses einräumen und gut 
heißen; nur davon ist jetzt nicht die Rede. Man will nur wissen, 
ob die bloße Vorstellung des Gegenstandes in mir mit Wohlge 
fallen begleitet sei, so gleichgültig ich auch immer in Ansehung der 
Existenz dieser Vorstellung sein mag. Ein Jeder muß einge- 
ftehen, daß dasjenige Urtheil über Schönheit, worin sich das 
mindeste Interesse mengt, sehr parteilich und kein reines Ge 
schmacksurtheil sei. Man muß nicht im Mindesten für die Exi 
stenz der Sache eingenommen, sondern in diesem Betracht ganz 
gleichgültig sein, um in Sachen des Geschmacks den Richter zu 
spielen *)." 
Wenn nun ein Object durch die bloße Betrachtung unmit 
telbar gefällt, so haben wir schon gezeigt, daß in dieser Betrach 
tung , die von dem Gefühle der Lust unmittelbar begleitet wird, 
Einbildungskraft und Verstand spielend übereinstimmen. Die 1 
Einsicht in dieses harmonische Spiel der Gemüthskräste ist maß 
gebend für die Erkenntniß des Schönen: die Einbildungskraft 
stimmt mit dem Verstände überein, d. h. sie bildet ihre Vorstel 
lung vollkommen gesetzmäßig, sie handelt nicht regellos, sondern 
*) Krit. d. Urtheilskr. I Theil. I Abschn. I Buch. §, 2. — Bd. 
VH. S. 45.
	        
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