Volltext: Kant's System der reinen Vernunft auf Grundlage der Vernunftkritik [4. Band. Zweite rev. Auflage] (4,2 / 1869)

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müssen wir, genau genommen, erklären: erhaben ist, was sich 
erhebt über das sinnliche Dasein. Zu dieser Erhebung ist nur 
die reine Vernunft in einem Sinnenwesen fähig; nur der Mensch 
als sinnlich-vernünftiges Wesen kann sich wahrhaft erheben. Dar 
um ist das wahrhaft Erhabene nur der Mensch im Triumphe sei 
ner moralischen Kraft über das sinnliche Vermögen und Dasein. 
In diesem Triumph erscheint das rein moralische Wesen des 
Menschen, und diese Sphäre unserer subjectiven Natur ist das 
eigentliche Gebiet des Erhabenen. Nicht die Natur als solche ist 
erhaben, sondern allein der Mensch in seiner Erhebung, die als 
solche immer moralischer Natur ist. So nimmt Schiller das Er 
habene, wenn er den Astronomen zuruft: „euer Gegenstand ist 
der erhabenste freilich im Raume, aber, Freunde, im Raum 
wohnt das Erhabene nicht!" 
2. Die Subreption. 
Diese Einsicht in die eigentliche Natur des Erhabenen ist zu 
nächst nicht ästhetisch, sondern kritisch. Man muß das Gefühl 
des Erhabenen genau analysiren, um zu dieser Einsicht zu kom 
men. Das ästhetische Gefühl analysirt nicht sich selbst. Die Zer 
gliederung ist Sache der Kritik. Das ästhetische Gefühl selbst ist 
in die Betrachtung des Objects vollkommen versenkt; eben darum 
nimmt es für objective Erhabenheit, was im Grunde nur subjec- 
tive ist. So ist das Gefühl des Erhabenen in einen Schein ge 
hüllt und in einer Täuschung befangen, die erst die kritische Unter 
suchung des Geschmacks entdeckt und vernichtet: dieser Schein ist 
auch eine unvermeidliche Illusion, nicht in logischer, sondern in 
ästhetischer Rücksicht. Das Gefühl des Erhabenen ist eine durch 
Unlust bedingte Lust, eine negative Lust, die wir am besten Be 
wunderung nennen. Was uns mit Bewunderung und Ach-
	        
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