Volltext: Kant's System der reinen Vernunft auf Grundlage der Vernunftkritik [4. Band. Zweite rev. Auflage] (4,2 / 1869)

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sicht. Also zwischen Contemplation und Erkenntniß, zwischen 
Betrachtung und Einsicht finden wir das zur allgemeinen Mit 
theilung fähige Gefühl. 
Die Betrachtung besteht in dem Zusammenwirken von Ver 
stand und Einbildungskraft; die Erkenntniß besteht in der Einheit 
beider Vermögen, im Urtheil, welches die Vorstellung des einen 
durch den Begriff des anderen bestimmt. Was ist nun Betrach 
tung ohne Erkenntniß? Offenbar das Zusammenwirken von 
Verstand und Einbildungskraft ohne die Vereinigung beider im 
Urtheil: eine Verbindung beider, welche die Unterordnung aus 
schließt, eine solche Verbindung, in welcher beide unabhängig 
übereinstimmen. Diese Betrachtung ohne Erkenntniß ist das 
bloße Verhältniß oder die Harmonie von Verstand und Einbil 
dungskraft. Was ist die Betrachtung ohne die Absicht auf Er 
kenntniß ? Offenbar die absichtslose Harmonie von Verstand und 
Einbildungskraft oder das freie Spiel beider Kräfte. 
Das Verhältniß der betrachtenden Gemüthskräste ist kein 
Urtheil, sondern ein bloßer Gemüthszustand, der lediglich subjec- 
tiv und in Ansehung seiner Beschaffenheit rein menschlich ist. 
Einbildungskraft und Verstand sind Vernunftkräste, also ist ihr 
Verhältniß ein Vernunstzustand: ein Zustand, der nicht diesem 
oder jenem Individuum angehört, sondern der menschlichen Ge 
müthsverfassung als solcher. 
Unserer Gemüthszustände werden wir inne durch das Ge 
fühl. Wir können sie nur fühlen. Sobald wir sie zu erkennen 
suchen, sind sie nicht mehr unsere Zustände, sondern unsere Ge 
genstände. Das Gefühl nun jener contemplativen Verfassung, 
in welcher Verstand und Einbildungskraft Harmoniken, ist das 
Gefühl eines rein menschlichen Gemüthszustandes, also selbst ein 
rein menschliches und eben darum allgemein mittheilbares Gefühl:
	        
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