Volltext: Kant's System der reinen Vernunft auf Grundlage der Vernunftkritik [4. Band. Zweite rev. Auflage] (4,2 / 1869)

540 
begriff. Beide waren in ihrer Geltung vollkommen verschieden: 
die Naturbegriffe enthalten die Grundsätze der Erfahrung, der 
Freiheitsbegriff giebt die Gesetze des Handelns; jene sind theore 
tisch, dieser ist praktisch; die Freiheit kann in der Natur nichts 
erklären, die Erfahrung kann in der Sittlichkeit nichts begründen. 
So hat jeder der beiden Begriffe sein eigenthümliches Gebiet und 
seine gesetzgeberische Tragweite. 
Beide Principien sind auch in ihrem Ursprünge verschieden: 
die Naturbegriffe entspringen im Verstände, der Freiheitsbegriff 
in der Vernunft; der Verstand verhält sich theoretisch, die Ver 
nunft praktisch; die theoretischen und praktischen Gemüthskräste, 
Erkenntniß - und Begehrungsvermögen, schließen sich gegenseitig 
aus. Wie sich die Natur zur Freiheit, die sinnliche Welt zur 
übersinnlichen, die Naturbegriffe zum Freiheitsbegriff verhalten, so 
verhält sich der Verstand zur Vernunft, das Erkenntnißvermö 
gen zum Begehrungsvermögen. 
2. Unterordnung der Natur unter die Freiheit. 
Aus dieser Betrachtung folgt das Problem, dem wir uns 
nähern. Die menschliche Vernunft ist nur eine. Wenn ihre 
Grundvermögen einander nur entgegengesetzt und zwischen ihnen 
gar kein Uebergang, kein Mittelglied, keine Gemeinschaft möglich 
wäre, so wäre die Einheit der Vernunft so gut als aufgehoben. 
Es handelt sich darum, den Gegensatz zwischen Natur 
und Freiheit mit der Einheit der Vernunft in Ein 
klang zu bringen. Aufgehoben oder ausgelöscht kann jener Ge 
gensatz nicht werden. Die Vereinigung, die wir suchen, kann 
niemals die reale Identität der Natur und Freiheit sein, sonst 
wären alle Unterscheidungen der Vernunstkritik vergeblich ge 
wesen: es kann sich daher nur um eine Vermittlung handeln,
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.