Volltext: Kant's System der reinen Vernunft auf Grundlage der Vernunftkritik [4. Band. Zweite rev. Auflage] (4,2 / 1869)

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äußere Mittel bedingte und auf den Menschen herabgelenkte Gnade 
ist gar nicht mehr Gnade, sondern „Gunst". So wird durch 
eine solche Cultuslehre der Gottesglaube bis zur Jdololatrie ver 
dorben und die Menschen verführt, statt „Diener Gottes" lieber 
„Günstlinge und Favoriten des Himmels" sein zu wollen. „Zu 
diesem Ende befleißigen sie sich aller erdenklichen Förmlichkeiten, 
wodurch angezeigt werden soll, wie sehr sie die göttlichen Gebote 
verehren, um nicht nöthig zu haben, sie zu beobachten, und da 
mit ihre thatlosen Wünsche auch zur Vergütung der Uebertretung 
derselben dienen mögen, rufen sie: „Herr! Herr!" um nur nicht 
nöthig zu haben, „den Willen des himmlischen Vaters zu thun," 
und so machen sie sich von den Feierlichkeiten im Gebrauch ge 
wisser Mittel zur Belebung wahrhaft praktischer Gesinnungen 
den Begriff als von Gnadenmitteln an sich selbst*)." 
IV. 
Summe der kantischen Rcligionslehre. 
Kant und Lessing. 
Vergleichen wir die kantische Religionslehre, wie sie das 
Böse, die Erlösung, die Kirche und den Cultus zusammenhängend 
aus einem Grundgedanken entwickelt hat, mit den geschichtlich 
gegebenen Glaubensformen, so macht sie gegen alle Religionen ge 
meinschaftliche Sache mit dem moralischen Kern und der Idee 
des Christenthums, sie verhält sich innerhalb der christlichen 
Kirche durchaus negativ zur katholischen, durchaus bejahend zum 
Kern der protestantischen Lehre; sie steht innerhalb des Prote 
stantismus in der Lehre von der göttlichen Gnade gegen die cal- 
vinistische Glaubenstheorie, in der Lehre von den Sacramenten 
auf Seiten der reformirten Vorstellungsweise gegen die magische 
*) Ebendas. II St. Allg. Anmerkg. — Bd.VI. S. 376—389. 
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