Volltext: Kant's System der reinen Vernunft auf Grundlage der Vernunftkritik [4. Band. Zweite rev. Auflage] (4,2 / 1869)

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läge in unserer Natur wäre, deren Cultur nur vernachlässigt wird, 
so würde die Menschenrace in ihren eigenen Augen ein Gegen 
stand der tiefsten Verachtung sein müssen." 
Mit der moralischen Freiheit in der Religion nimmt im glei 
chen Maße die Wahrhaftigkeit ab; in eben dem Maße wächst die 
Heuchelei. Denn wer hier nicht wahrhaftig ist, der ist schon ein 
Heuchler. Unter der Herrschaft eines statutarischen Glaubens 
wird die Heuchelei zur Gewohnheit und kommt bis zum Grade 
einer behaglichen Unbefangenheit. Man empfiehlt für das Glau 
bensbekenntniß das weiteste Gewissen gleichsam als Sicherheits 
maxime nach dem arAuwentuiii a tuto: das Sicherste sei, alles 
zu glauben und diesen Glauben unbedenklich zu betheuern; wenn 
manches unwahr und unnütz sei, so sei doch nichts schädlich, und 
der liebe Gott werde sich schon das Beste herausnehmen. Der 
sicherste Glaubensgrundsatz sei: „je mehr desto besser!" Bis da 
hin können Menschen gebracht werden: daß sie die Religion als 
Mittel brauchen, um ihrem Vortheil im gemeinen Sinne des 
Worts die letzte Spur von Wahrhaftigkeit zu opfern *)! 
III. 
Der wahre Gottesdienst. 
Nur der moralische Glaube ist vollkommen gewiß und dar 
um gültig für alle. Ihn berührt nicht der Unterschied zwischen 
Gelehrten und Nichtgelehrten; dieser Unterschied berührt den Ge 
schichtsglauben und begrenzt dessen Mittheilbarkeit. Um sich den 
Inhalt des Geschichtsglaubens anzueignen, dazu gehören Mittel 
der Einsicht und Untersuchung, die nicht jedem zugänglich sind: 
*) Ebendas. IY St. II Th. §. 4. Vom Leitfaden des Gewissens in 
Glaubenssachen. - Bd. YI. S. 370-376. Vgl.bes. S.374, S. 375, 
u. 376 Anmerkg. 1 u. 2,
	        
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