Volltext: Kant's System der reinen Vernunft auf Grundlage der Vernunftkritik [4. Band. Zweite rev. Auflage] (4,2 / 1869)

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wirkende Macht zu. Dieß aber heißt zaubern und, wenn es in 
Rücksicht auf Gott gefthieht, „fetischmachen"; der von der Ge 
sinnung und der Willensumwandlung unabhängige Gottesdienst 
ist „Fetischdienst"; der Glaube an eine kirchliche Observanz als 
nothwendiges Mittel zur Erlösung ist „Fetischglaube". Wo die 
ser Glaube herrscht, wo das oberste Glaubensgesetz den Cultus 
oder gewisse Cultusformen zur Bedingung der Seligkeit macht, 
da ist die moralische Freiheit der Menschen vollkommen unter 
drückt und der kirchliche Despotismus im uneingeschränktesten 
Sinne vorhanden. In einer solchen Kirche herrscht nicht Gott, 
sondern der Klerus: die Verfassung einer solchen Kirche ist 
„Pfaffcnthum". „Das Pfaffenthum ist also die Verfassung einer 
Kirche, sofern in ihr ein Fetischdienst regiert, welches allemal da 
anzutreffen ist, wo nicht Principien der Sittlichkeit, sondern 
statutarische Gebote, Glaubensregeln und Observanzen die Grund 
lage und das Wesentliche derselben ausmachen." 
Ein solcher Religionswahn verdirbt nothwendig auch die 
Vorstellung von Gott. Ein Gott, dessen Wohlgefallen wir 
durch den Cultus zu erwerben glauben, wird von eben diesem 
Glauben durch die trübsten menschlichen Analogien verunstaltet: 
er wird vorgestellt als ein Wesen, das sich durch den Schein 
blenden und bestechen läßt, dessen Gnade man durch Lobpreisun 
gen, Schmeicheleien, Demüthigungen und Geschenke gewinnen 
könne; der Gottesdienst wird zum „Hofdienst", der Gott zum 
Götzen, das Ideal zum „Idol", und der ihm gewidmete Cultus 
zur vollkommenen „Jdololatrie" *). 
*) Ebendas. IY St. II Th. §. 3. Vom Pfaffenthum als einem 
Regimente im Asterdienst des guten Princips. — Bd. VI. S. 359 bis 
365. S. 370. Vgl. S. 333 Anmerkg. S. 351 Anmerkg.
	        
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