Volltext: Kant's System der reinen Vernunft auf Grundlage der Vernunftkritik [4. Band. Zweite rev. Auflage] (4,2 / 1869)

487 
lisch werthloses Thun, das als Gottesdienst gelten will, als sol 
cher befohlen, als solcher gläubig gehorsam" geübt wird. So 
erzeugt sich der unächte Cultus, „der Afterdienst unter der Herr 
schaft des guten Princips". Die Befolgung des Religionswahns 
kann nichts anderes sein als „Afterdienst Gottes". 
Was man ohne geläuterten und in der Wurzel umgewan 
delten Willen thun kann, das ist vor Gott vollkommen werthlos 
und gilt nicht durch den Religionsglauben, sondern bloß durch 
den Religionswahn. Es ist dabei vollkommen gleichgültig, was 
man zur vermeintlichen Ehre Gottes äußerlich thut: ob der Got 
tesdienst in öffentlichen Feierlichkeiten und Anpreisungen oder in 
persönlichen Aufopferungen, Büßungen, Kasteiungen, Wall 
fahrten u. dgl. besteht; ob man zur Ehre Gottes Worte oder 
Naturgüter oder die eigene Person selbst opfert. „Alles, was 
außer dem guten Lebenswandel der Mensch noch thun zu können 
vermeint, um Gott wohlgefällig zu werden, ist bloßer Religions 
wahn und Afterdienst Gottes." 
Wenn einmal der Schwerpunkt des Gottesdienstes in etwas 
Anderes fällt als das moralische Leben, so ist dem falschen Cul 
tus Thor und Thür geöffnet und nicht mehr abzusehen, wo er 
Halt machen soll. Hat sich einmal die Religion in den Reli 
gionswahn verkehrt, so ist die Folge ein grenzenloser Asterdienst. 
Man bilde sich nicht ein, daß man auf diesem Gebiete des äußer 
lichen und unächten Cultus Grenzen bestimmen und Unterschiede 
feststellen könne. Es macht keinen Unterschied, ob der äußeren 
Opfer mehr oder weniger sind, ob ihre Form gröber oder feiner 
ist; sie sind im Principe werthlos, darum ist ihr Gradunterschied, 
wenn es einen giebt, im Principe gleichgültig. „Ob der An 
dächtler seinen statutenmäßigen Gang zur Kirche oder ob er eine 
Wallfahrt nach den Heiligthümern in Loretto oder Palästina an-
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.