Volltext: Kant's System der reinen Vernunft auf Grundlage der Vernunftkritik [4. Band. Zweite rev. Auflage] (4,2 / 1869)

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ist diese Vereinigung nicht zu begreifen: sie ist das Mysterium 
der „Erwählung". 
Me diese Mysterien sind nur verschiedene Seiten eines und 
desselben großen Geheimnisses. Woher kommt in der Welt das 
Gute und Böse? Wie kann aus dem Bösen das Gute hervor 
gehen; wie können solche, die böse sind, gut werden? Warum 
werden es die Einen und nicht auch die Anderen? Warum be 
harren die Einen im Bösen, während sich die Anderen zum Gu 
ten bekehren? Alle diese Fragen treffen den verborgenen Grund 
der moralischen Welt, der sich nicht erhellen läßt durch Begriffe. 
Dieses intelligible Princip der Welt läßt sich nicht einsehen, wie 
die in der Natur wirksamen Kräfte oder die geheimen Beweggründe 
in der politischen Welt. Das moralische Weltgeheimniß liegt in 
der Erlösung des Menschen vom Bösen. Als Postulat der reli 
giösen Vernunft ist diese Erlösung vollkommen gewiß und mit 
theilbar für alle Welt; als Object des Verstandes d. h. als Welt 
begebenheit ist sie vollkommen unbegreiflich. Die Trinität ist 
nichts anderes als der Lehrbegriff dieses Glaubens, als der in 
ein Dogma verwandelte Erlösungsglaube, als der theologische 
Versuch, die Thatsache der Erlösung aus dem Wesen Gottes zu 
erklären. 
Soll der christliche Glaube von anderen Glaubensarten durch 
eine theoretische Form unterschieden werden, so ist eine solche Er 
klärung nothwendig, und in dieser Rücksicht bildet die Trinität 
die classische Formel des Kirchenglaubens. Für den praktischen 
oder religiösen Glauben ist das Symbol gleichgültig; er glaubt 
die Erlösung, aber frägt nicht: wie ist sie möglich? Und nur 
auf diese Frage giebt das Symbol die aus dem Wesen Gottes ge 
schöpfte, geheimnißvolle und unbegreifliche Antwort.
	        
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