Volltext: Kant's System der reinen Vernunft auf Grundlage der Vernunftkritik [4. Band. Zweite rev. Auflage] (4,2 / 1869)

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i. Die jüdische Kirche. 
Dieser Ausgangspunkt ist nicht die jüdische Kirche. Die 
jüdischen Glaubensgesetze entbehren alle Bedingungen einer rein 
moralischen Gesetzgebung; sie sind, was moralische Gebote nie 
sein dürfen, Zwangsgesetze; sie fordern die äußere Beobachtung, 
die legale Erfüllung; diese legale Geltung ist ihr hauptsächlicher 
Zweck. Es giebt unter den jüdischen Glaubensgeboten keines, 
dessen Erfüllung nicht erzwungen werden könnte, dessen äußere Er 
füllung nicht dem Gesetze genugthäte. Die Motive der Gesetzes 
erfüllung sind keineswegs moralische Triebfedern; der gerechte 
d. h. der legale Mensch wird belohnt, der ungerechte bestraft; 
Hoffnung auf Lohn und Furcht vor Strafe sind die Motive des 
Glaubensgehorsams und der Gesetzeserfüllung. Es ist nicht die 
Gerechtigkeit, nicht einmal die des äußeren Rechts, wonach im 
Sinne des jüdischen Glaubens gelohnt und gestraft wird. Die 
Gerechtigkeit trifft nur den Schuldigen; die jüdische Gerechtigkeit 
straft auch den Unschuldigen, sie ist nicht Gerechtigkeit, sondern 
Rache, maßlose Rache; sie rächt der Väter Missethat an den 
Nachkommen bis in's dritte und vierte Glied. Die Ankündigung 
einer solchen Strafgerechtigkeit will nicht bessern, sondern schrecken; 
eine solche terroristische Weltregierung oder der Glaube daran 
kann politische Gründe haben, niemals moralische, er kann eine 
Maßregel der Zweckmäßigkeit sein, eine Maßregel, die unter Um 
ständen gilt. Der religiöse Glaube ist keine Maßregel, noch ist 
er abhängig von äußeren Umständen; er fordert die reine Gesin 
nung, die vollkommen lautere, ein Ziel, das nur in der Ewig 
keit erreicht werden kann; deßhalb fordert er die Unsterblichkeit 
gen Gründung der Herrschaft des guten Princips aus Erden. — Bd. YI. 
S. 299. 300,
	        
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