Volltext: Kant's System der reinen Vernunft auf Grundlage der Vernunftkritik [4. Band. Zweite rev. Auflage] (4,2 / 1869)

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III. 
Die Religion als Kirche. 
Die reine Religion als der innerste Grund und der letzte 
Zweck alles Kirchenglaubens lebt nur in der Gesinnung; sie ist 
und bleibt unsichtbar, sie ist kein Gegenstand der äußeren ge 
schichtlichen Erfahrung, sie hat keine Geschichte. Geschichtlich ist 
nur ihre Erscheinung und Entwicklung in der Zeit. Diese Er 
scheinung ist die Kirche; nur diese läßt sich historisch vorstellen. 
Es giebt eigentlich keine Religions-, sondern nur eine Kirchenge 
schichte, denn nicht die Religion, nur die Kirche ist wandelbar, 
d. h. der in einer kirchlichen Gemeinschaft und in kirchlichen For 
men erscheinende Religionsglaube. 
Religiös ist der Kirchenglaube nur, soweit er durchdrungen 
ist vom moralischen Glauben, diesen als seine ewige Grundlage 
erkennt, von dieser Grundlage sich abhängig weiß, diese Abhän 
gigkeit öffentlich bekundet. Die historische Vorstellung, die wir 
suchen, hat daher keinen anderen Gegenstand als den religiösen 
Kirchenglauben; sie beginnt deßhalb erst in dem Zeitpunkte, wo 
der religiöse Kirchenglaube in der Geschichte der Menschheit her 
vortritt, wo sich ein Glaube und eine Glaubensgemeinschaft auf 
rein moralischem Grunde bildet. Dazu gehört die volle Einsicht 
in den Unterschied des moralischen und historischen Glaubens, in 
den Unterschied dieser beiden Glaubensprincipien: die volle Ein 
sicht, daß kein historischer oder statutarischer Glaube den Menschen 
erlösen könne. Wo diese Ueberzeugung zum erstenmale in einer 
Glaubensgemeinschaft sich öffentlich ausspricht, da erscheint zum 
erstenmale der Religionsglaube, da beginnt die historische Vor 
stellung vom Reiche Gottes auf Erden, und die Geschichte der 
Kirche nimmt hier ihren Ausgangspunkt*). 
*) Ebendas. III St. II Abth. Historische Vorstellung der allmäli- 
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