Volltext: Kant's System der reinen Vernunft auf Grundlage der Vernunftkritik [4. Band. Zweite rev. Auflage] (4,2 / 1869)

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*) Ebendas. III St. I Abth. Nr. VH. - Bd. VI. S. 292-98. 
Kirche [mit der reinen Religion dauern: so lange werden die 
Priester klagen über den Unglauben der Vernunft. 
In demselben Maße als der Kirchenglaube den Religions 
glauben bekämpft, wird er sich ausschließlich auf seine historische 
Grundlage, auf die Ueberlieferungen und den Cultus stützen; in 
demselben Maße als er dem Religionsglauben zustrebt und sich 
demselben nähert, wird er jene Grundlage verlassen und auf die 
Gesinnung und den sittlichen Lebenswandel des Menschen das 
Hauptgewicht legen; die äußeren Formen werden abgestreift, 
die hierarchische Scheidewand zwischen Priestern und Laien fällt, 
und allmälig, im Wege einer ruhigen Reform, ändert sich die 
ganze innere Glaubensverfassung. So entwickelt sich die Reli 
gion, wie der Mensch selbst: „da er ein Kind war, redete er wie 
ein Kind und war klug wie ein Kind; nun er aber ein Mann 
wird, legt er ab, was kindisch ist." 
Wir haben erklärt, was den Kirchenglauben vom Religions 
glauben unterscheidet. So lange der Kirchenglaube nicht aufhört, 
diese unterscheidenden Kennzeichen seiner Cultusformen für sein 
wahres Wesen zu halten, woran kein Buchstaben verloren gehen 
dürfe, befindet er sich in einer unendlichen Differenz und Entfer 
nung von der unsichtbaren Kirche. Wenn der Kirchenglaube an 
fängt, alles, was ihn vom Religionsglauben trennt, für das 
weniger Wesentliche zu halten, so thut er den ersten Schritt zur 
Annäherung an den Vernunftglauben; dann beginnt sein Ueber- 
gang zur reinen Religion, und der Zeitpunkt ist gekommen, wo 
die Wirkung der unsichtbaren Kirche in der sichtbaren erscheint. 
Dieser Zeitpunkt ist der Anfang der geschichtlichen Kirche. Jetzt 
erst giebt es von dem Reiche Gottes auf Erden auch eine histo 
rische Vorstellung*).
	        
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