Volltext: Kant's System der reinen Vernunft auf Grundlage der Vernunftkritik [4. Band. Zweite rev. Auflage] (4,2 / 1869)

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tung im Einklänge mit dem göttlichen Gesetz, er ist radical gut; 
er begehrt nicht das zeitliche Glück, vielmehr er erduldet alles 
zeitliche Unglück, die Verfolgung, die Verleumdung, den Tod 
in der schmählichsten und qualvollsten Form: dadurch macht er 
offenbar, daß sein Reich nicht von dieser Welt ist. 
Diesem Leben gegenüber sinken die Rechtsansprüche des bö 
sen Princips in den Staub. Alle Mächte, die das Böse auf 
bieten kann, scheitern an dem Willen, der radical gut ist. Hier 
scheitert die Versuchung und das Elend. Die Güter der Welt 
reizen ihn nicht, das Leiden der Welt beugt ihn nicht. Darum 
hat dieses Leben, weil es die Rechtsansprüche des bösen Princips 
zu nichte macht, eine erlösende Wirkung. So will der Tod des 
Erlösers gewürdigt sein: als das Schicksal, das ihn von Seiten 
der Welt trifft, als das äußerste Leiden, das er duldet um des 
Guten willen; er duldet den Tod, er nimmt ihn auf sich, er 
trägt das Kreuz. Diese Duldung bildet in dem Leben Jesu 
einen Charakterzug, den man vollkommen entstellt und aufhebt, 
wenn man diesen Tod aus einer schwärmerischen oder politischen 
Absicht erklären will, wenn man den Erlöser entweder mit 
Bahrdt den Tod suchen oder mit Reimarus das Leben in einem 
politischen Parteikampfe wagen läßt*). 
Kant begreift den Kampf des guten und bösen Princips als 
die große Tragödie der Menschheit, die sich in dem Tode Jesu 
offenbart und entscheidet. Der gute Wille hat über die Herr 
schaft des Bösen, über die Macht dieser Welt gesiegt; die Welt 
hat ihn weder durch Versuchung noch durch Leiden brechen kön 
nen, sie hat nichts vermocht als sein Leben zu tödten. Also hat 
der-^gute Wille die Macht des Bösen gebrochen und dafür sein 
*) Ebendas. II St. II Abschn. - Bd. VI. S. 247 Anmerkg.
	        
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