Volltext: Kant's System der reinen Vernunft auf Grundlage der Vernunftkritik [4. Band. Zweite rev. Auflage] (4,2 / 1869)

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Vorbild geglaubt werde; es verlangt keinen anderen Glauben als 
den moralischen. Diesem sittlichen Vorbilde sollen und können 
wir gleich werden; wir können es, weil wir es sollen. Aber 
wie ist es möglich, daß wir ihm gleich werden? Sind auch die 
übernatürlichen Bedingungen von dem sittlichen Vorbilde ausge- 
schlossen, glauben wir auch nicht an den Sohn Gottes als Wun- 
dcrthäter, als den übernatürlich Erzeugten, als den geborenen 
. Heiligen, so bleibt doch immer der unendliche Abstand zwischen 
ihm, dem sündlosen Menschen, und uns, den sündhaften. Wie 
laßt sich diese Differenz ausgleichen? Wenn sie sich nicht aus 
gleichen läßt, so bleibt die unübersteigliche Kluft zwischen ihm 
und uns, so bleiben wir in der Herrschaft des Bösen, und die 
Erlösung vom Uebel ist unmöglich. In diesem Punkte liegen die 
Schwierigkeiten, die eigentlichen Scrupel und Probleme des 
Glaubens *). 
3. Die Wiedergeburt als Umwandlung des 
empirischen Charakters. 
Das Böse ist vom Guten unendlich weit entfernt. Setzen 
wir das Böse als den Ausgangspunkt, das Gute als den Ziel 
punkt, so ist dieses unendlich entfernte Ziel in keiner Zeit erreich 
bar. Wir sind die Bösen, unser Ziel und sittliches Vorbild ist 
das Gute (der göttlich gesinnte Mensch). Die erste Bedingung, 
ohne welche das Ziel nie erreicht werden kann, ist unsere Besse 
rung. Aber wie das Uebel in der Wurzel unseres Willens ent 
halten ist, so kann die Besserung auch nur an der Wurzel statt 
finden. Die Besserung ist keine Reform der Sitten, sondern 
eine Revolution der Gesinnung, eine totale Umkehr des verderb- 
*) Ebendaselbst. II St. I Abschnitt, b. - Bd. VI. S. 225 —
	        
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