Volltext: Kant's System der reinen Vernunft auf Grundlage der Vernunftkritik [4. Band. Zweite rev. Auflage] (4,2 / 1869)

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menschliche Wille mithelfen, er müßte auch etwas zu seiner Bes 
serung thun; aber böse, wie er ist, kann er selbst nichts dazu 
beitragen. Seine Besserung ist unmöglich, soweit sic auf 
ihm selbst ruht, sie ist die alleinige Wirkung Gottes im Men- 
scken, von Seiten des Menschen durch gar nichts verdient, von 
Seiten Gottes daher eine Gnadenwirkung: Durchbruch der gött 
lichen Gnade in der sündhaften Mcnschennatur, eine auf wunder 
bare Weise erfolgte Umwandlung. 
Auf die Unmöglichkeit der Selbstbesserung gründet sich der 
Glaube an die göttliche Gnadenwirkung. Dieser Glaube steht 
dem Vernunftglauben entgegen. Die Vernunft bejaht die Selbst- 
besserung und ist der Möglichkeit derselben gewiß, nicht aus wis 
senschaftlichen , sondern aus sittlichen Gründen. Eben diese Ge 
wißheit ist Glaube (Vernunftglaube). Der entgegengesetzte 
Glaube erwartet alles Gute nur von Gott und nichts von dem 
menschlichen Willen, der, verstrickt in das Böse, keine Kraft hat 
zum Guten. Auf Grund dieses Glaubens hoffen wir von Gott, 
daß er uns vermöge seiner Güte glücklich machen werde, und 
wenn die Bedingung zur Glückseligkeit unsere Besserung ist, so 
hoffen wir von Gott, daß er uns bessern und heiligen werde ver 
möge seiner Gnade und Allmacht; wir selbst können nichts weiter 
als diese beiden Geschenke von Gott wünschen und erbitten und 
alles äußerlich thun, was ihm gefällig ist, damit wir uns seinen 
Willen geneigt machen und seine Gunst erwerben. So entsteht 
der Glaube ohne moralischen Kern; seine Absicht ist die Erwer 
bung göttlicher Gunst, sein Mittel dazu das äußere Thun, das 
gottesdienstliche Handeln, der Cultus. 
Die moralische Religion ist nur eine. Im Widerspruche 
mit ihr sind alle anderen Religionen gottesdienstliche Handlungen 
(Culte), in der menschlichen Absicht geübt, sich dadurch den gött-
	        
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