Volltext: Kant's System der reinen Vernunft auf Grundlage der Vernunftkritik [4. Band. Zweite rev. Auflage] (4,2 / 1869)

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diesen ursprünglichen Anlagen der menschlichen Natur, die in 
der Ordnung der Dinge zum Guten bestimmt sind. 
Welches sind die ursprünglichen Anlagen zum Guten in der 
Menschennatur? Der Mensch ist ein lebendiges, denkendes, mo 
ralisches Wesen. Die bloß organische Natur ist die Thierheit, 
die Vereinigung der lebendigen und vernünftigen Natur ist die 
Menschheit, die Vereinigung der vernünftigen und moralischen 
Natur ist die Persönlichkeit; die Anlage zum Leben ist animalisch, 
die Anlage zur Ueberlegung und Selbsterkenntniß ist menschlich, 
die Anlage zur Achtung vor dem Sittengesetz ist moralisch. An 
sich ist keine dieser Anlagen gut oder böse; an sich ist jede dersel 
ben von der Natur zum Guten bestimmt. Wenn der Wille die 
Richtung der moralischen Anlage nimmt und das Sittengesctz zu 
seiner Maxime macht, so ist er gut. Darin allein besteht das 
Gute. Es hängt von dem Willen ab, welche von den ursprüng 
lichen Anlagen, die eben so viele Triebfedern sind, er zur ober 
sten Triebfeder macht. Wenn diese oberste Triebfeder nicht das 
Sittengesetz ist, nicht dieses allein, so ist der Wille böse. Den 
ken wir uns den Willen unter der Herrschaft der animalischen 
Triebe, so daß die menschliche und moralische Natur unter die 
thierische herabstnken, so entstehen die sogenannten viehischen Laster, 
wie Völlerei, Wollust, wilde Gesetzlosigkeit; denken wir uns den 
Willen unter der Herrschaft bloß der natürlichen Vernunft, so 
ist sein einziges Ziel das eigene Wohl, so sucht das Individuum 
nichts anderes als seine eigene Glückseligkeit, seine eigene größt 
mögliche Geltung, so will es zu seinem Vortheile den Nachtheil 
und Schaden des Anderen, mit seiner Selbstliebe steigt die feind 
selige Gesinnung gegen andere, Bosheit, Neid, Undankbarkeit, 
Schadenfreude, sie wachsen in's Unermeßliche und erzeugen die 
sogenannten teuflischen Laster. Also nicht in der Anlage als sol-
	        
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