Volltext: Kant's System der reinen Vernunft auf Grundlage der Vernunftkritik [4. Band. Zweite rev. Auflage] (4,2 / 1869)

zwischen Pflicht und Neigung, in diese freiwillige Tugend setzt! 
er den Charakter der schönen Sittlichkeit, der Anmuth im Un 
terschied von der Würde, welche den sittlichen Willen in seiner 
unbedingten Erhabenheit offenbart. Kant's Gegensatz zu Schiller 
ist hier der Gegensatz der rein moralischen und ästhetischen Denk 
weise, des rigoristischen und künstlerischen Standpunktes. Zu 
gleich sucht Kant einen möglichen Vereinigungspunkt in einer sol 
chen Verbindung der Tugend mit der Anmuth, welche der 
Strenge der Moral keinen Abbruch thut. „Herr Professor Schil 
ler," so lauten Kant's Worte, „mißbilligt in seiner mit Meister 
hand verfaßten Abhandlung über Anmuth und Würde in der 
Moral diese Vorstellungsart der Verbindlichkeit, als ob sie eine 
karthäuserartige Gemüthsstimmung bei sich führe; allein ich kann, 
da wir in den wichtigsten Punkten einig sind, auch in diesem keine 
Uneinigkeit statuiren, wenn wir uns nur unter einander verständ 
lich machen können. Ich gestehe gern, daß ich dem Pflichtbegriff, 
gerade um seiner Würde willen keine Anmuth beigesellen kann, 
denn er enthält unbedingte Nöthigung, womit Anmuth in gera 
dem Widerspruch steht. Die Majestät des Gesetzes (gleich dem 
auf Sinai) flößt Ehrfurcht ein (nicht Scheu, welche zurückstößt, 
auch nicht Reiz, der zur Vertraulichkeit einladet), welche Ach 
tung des Untergebenen gegen seinen Gebieter, in diesem Fall! 
aber, da dieser in uns liegt, ein Gefühl des Erhabenen unserer 
eigenen Bestimmung erweckt, was uns mehr hinreißt als alles 
Schöne. Aber die Tugend, d. i. die fest gegründete Gesinnung, 
seine Pflicht genau zu erfüllen, ist in ihren Folgen auch wohl 
thätig, mehr wie alles-, was Natur oder Kunst in der Welt lei 
sten mag; und das herrliche Bild der Menschheit, in dieser Ge 
stalt aufgestellt, verstattet gar wohl die Begleitung der Grazien, 
die aber, wenn noch von Pflicht allein die Rede ist, sich in ehrer-
	        
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