Volltext: Kant's System der reinen Vernunft auf Grundlage der Vernunftkritik [4. Band. Zweite rev. Auflage] (4,2 / 1869)

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Christenthums, daß es die Liebe zum Motive des sittlichen Han 
delns macht: das nennt Kant „die Liebenswürdigkeit der christlichen r ' 
Religion". Wenn man dem Christenthume diesen liebenswürdigen " 
Charakter nimmt und an die Stelle der Liebe die Furcht als sittliches 
Motiv setzt, so verwandeln sich die menschenfreundlichen Züge der 
christlichen Religion in die gebieterischen und abschreckenden der & 
Autorität, die nur Abneigung und Widersetzlichkeit einflößen können. 
Damit aber ist die moralische Ordnung umgekehrt und das Ende 
aller Dinge in seiner widernatürlichen Gestalt eingetreten. „Sollte 
es mit dem Christenthum einmal dahin kommen, daß es aufhörte, 
liebenswürdig zu sein (welches sich wohl zutragen könnte, wenn 
es, statt seines sanften Geistes, mit gebieterischer Autorität be 
waffnet würde), so müßte eine Abneigung und Widersetzlichkeit 
gegen dasselbe die herrschende Denkart der Menschen werden; und ' 
der Antichrist, der ohnehin für den Vorläufer des jüngsten 
Tages gehalten wird, würde sein obzwar kurzes Regiment an 
sangen; alsdann aber, weil das Christenthum allgemeine Welt 
religion zu sein zwar bestimmt, aber es zu werden von dem Schick 
sale nicht begünstigt sein würde, das (verkehrte) Ende aller Dinge 
in moralischer Hinsicht eintreten." 
Wer erkennt in diesem so geschilderten Ende, in dieser Um 
kehr der moralischen Ordnung, in den Urhebern dieses wider 
natürlichen Weltendes nicht die Züge der Wöllner, Hilmer, 
Hermes, Woltersdorf u. a., die das antichristliche Princip ent 
weder in eigener Person sind oder es herbeiführen? So ist der 
kantische Aufsatz vom Ende aller Dinge ein auf das verkehrte 
Treiben des damaligen Zeitalters geworfenes grelles Schlaglicht. 
Die beiden Abhandlungen „über das Mißlingen aller philo 
sophischen Versuche in der Theodicee" vom Jahre 1791 und über 
„das Ende aller Dinge" vom Jahre 1794 begrenzen den Zeit-
	        
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