Volltext: Kant's System der reinen Vernunft auf Grundlage der Vernunftkritik [4. Band. Zweite rev. Auflage] (4,2 / 1869)

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sein könnte, in sehr vielen Fällen sein muß! Der Verschwender 
will haben, um zu genießen; der Geizige will haben, um zu 
besitzen: also beide unterscheiden sich nicht durch den Grad,' son 
dern durch die Maxime ihrer Habsucht; wenn die Absicht auf 
den Besitz die Maxime der Handlungen bildet, wenn alle Hand 
lungen auf diesen Zweck abzielen, so entsteht der Geizhals; wenn 
die Absicht auf den Genuß die Handlungen beherrscht, so ent 
steht der Verschwender. Hieraus erhellt, daß man nur durch 
die Art und Beschaffenheit der Maximen die Lastex sowohl von 
der Tugend als von einander zu unterscheiden vermag. 
Die Lugend ist nicht bloß eine: diesen Satz stellt Kant der 
stoischen Sittenlehre entgegen. Die Tugend ist nichts Mittleres: 
dieser Satz gilt gegen die aristotelische Ethik. Die Tugend ist 
nichts Empirisches: dieser Satz widerspricht der gesammten dog 
matischen Sittenlchre, die auf natürliche Neigungen die Tugend 
gründen wollte*). 
4. Die moralische Gesundheit. 
Es giebt eine der Tugend günstige und eine der Tugend 
entgegengesetzte Gemüthsverfassung. Nur in der vollkommenen 
inneren Freiheit kann die Pflicht der selbstgewählte, herrschende 
Grundsatz unserer Handlungen werden. Diese Freiheit ist ge 
trübt, wenn die Affecte, die natürlichen Wallungen des Herzens, 
überhandnehmen und das Temperament herrscht; sie ist vollkom 
men aufgehoben und in ihr Gegentheil verkehrt, wenn die) Lei 
denschaften, die selbstsüchtigen Begierden des Herzens, in uns 
walten und die Selbstliebe herrscht. Ein Beispiel des Affccts 
*) Ebendas. Einleitg. XIII. Allg. Grdstz. in Behandl. der reinen 
Tugendlehre. Vgl.Tugendl. I Buch. I Abth. II Hptst. 2. Art. §. 10. 
- Bd. Y. S. 264 flgd.
	        
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