Volltext: Kant's System der reinen Vernunft auf Grundlage der Vernunftkritik [4. Band. Zweite rev. Auflage] (4,2 / 1869)

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Nennen wir den Inbegriff der sinnlichen Erfahrungsobjecte Na 
tur , so beschränkt sich unsere Erkenntniß der Dinge auf die Na 
turwissenschaft. 
Wir müssen die Naturwissenschaft nach ihren Erkenntniß 
gründen unterscheiden: entweder sind diese durch die Erfahrung, 
oder sie sind vor aller Erfahrung gegeben; im ersten Falle sind 
sie empirisch, im anderen transscendental. Die letzteren sind 
reine oder rationale Principien. Demgemäß unterscheiden wir 
die reine Naturwissenschaft von der empirischen. Die reine Na 
turwissenschaft umfaßt alle diejenigen Erkenntnisse, die rücksicht 
lich der Natur möglich sind durch bloße Vernunft. 
Hier ist die Rede nur von der reinen oder rationalen 
Naturwissenschaft. Was kann von den sinnlichen Erscheinun 
gen erkannt werden durch bloße Vernunft? In allen Fällen 
sind die sinnlichen Erscheinungen in der Anschauung gegeben. 
Wenn sie bloß durch Anschauung gegeben sind, d. h. wenn in 
der Erscheinung nichts enthalten ist, was die Anschauung nicht 
gegeben oder gemacht hat, wenn mit anderen Worten die Er 
scheinungen ohne Rest Producte der Anschauung sind, so sind 
sie vollkommen durch bloße Vernunft erkennbar. Es giebt 
in solchen Erscheinungen nichts, das nicht die reine Vernunft ganz 
zu durchdringen vermöchte. Alle Erscheinungen sind ihrer Form 
nach Producte der Anschauung, denn alle sind in Raum und Zeit. 
Die mathematischen Größen sind auch ihrem Inhalte nach Pro 
ducte der Anschauung, denn der Inhalt der Größen ist selbst nur 
räumlich und zeitlich. Nicht bloß die Erkenntnißweise, auch die 
Objecte der Mathematik sind a priori; sie ist die einzige, durch 
gängig reine oder rationale Wissenschaft. Hier ist darum alles 
vollkommen klar und durchsichtig. Wenn wir daher die Wissen 
schaft einschränken auf diejenigen Erkenntnisse, die vollkommen
	        
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