Volltext: Kant's System der reinen Vernunft auf Grundlage der Vernunftkritik [4. Band. Zweite rev. Auflage] (4,2 / 1869)

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5. Das Recht der Philosophen im Staate. Kant und 
Plato. 
Zu diesem Mechanismus der Neigungen, wodurch die Natur 
den Bölkerfrieden veranstaltet und gleichsam garantirt, gesellt sich 
die sittliche Vcrnunsteinstcht, die jenes Ziel um seiner selbst willen 
verfolgt. Diese Einsicht zu verbreiten, das Ziel selbst mit allen 
seinen Bedingungen allen erkennbar zu machen, ist die Aufgabe 
der Philosophen. Die Philosophen sollen über die Möglichkeit 
des öffentlichen Friedens, über die Bedingungen dieser Möglich 
keit gehört und von den öffentlichen Gewalthabern zu Rathe ge 
zogen werden. Aber wie kann man von der Politik verlangen, 
daß sie auf die Philosophen höre? Wie kann man Staatsmän 
nern, Gesetzgebern und Regenten zumuthcn, daß sie die Philo 
sophen um Rath fragen? Wenn Kant niemals ein Schwärmer 
war, so ist er, wie es scheint, an dieser Stelle einer geworden. 
Seit Plato hat kein Philosoph eine solche Sprache geführt. In 
dessen die Sache ist von Kant nicht so schwärmerisch gemeint, als 
sie zu sein den Anschein hat. Kant bildet sich nicht ein, daß die 
Philosophen in dieser Rücksicht ernstlich gefragt werden sollen. 
Er meint, man solle sie im Geheimen fragen, d. h. stillschweigend 
dazu auffordern, ihre Meinung zu sagen: man soll sie reden 
lassen, man soll ihnen nichts geben als öffentliche Gedankenfrei 
heit. Er nennt dieses den Philosophen eingeräumte Recht „beit 
geheimen Artikel zum ewigen Frieden"*). 'Der Ausdruck ist mit 
Humor gewählt. Die geheime Frage der Staatsmänner an die 
Philosophen ist die stillschweigende, die nichts anderes bedeutet, 
\ als daß die Philosophen ungefragt reden dürfen. Darum be- 
! zeichnet sie Kant als „geheime Räthe", weil sie öffentlich oder 
*) Ebendas. II Abschn. 2. Zusatz. - Bd. Y. S. 444 — 445,
	        
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