Volltext: Kant's System der reinen Vernunft auf Grundlage der Vernunftkritik [4. Band. Zweite rev. Auflage] (4,2 / 1869)

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auch in der Sache ist. Wenn die Regierung unter dem Gesetze 
steht, durch dieses bedingt in allen ihren Handlungen, so ist sie 
„patriotisch", was natürlich etwas anderes ist als patriarchalisch. 
Der Gesetzgeber darf nicht der Regent sein, der Regent 
nicht der Gesetzgeber, keiner von beiden der Richter. Man muß 
in der rechtsprechenden Function zwei Urtheile genau auseinander 
halten: das Urtheil, welches in dem bestimmten Falle Recht und 
Unrecht entscheidet, und das Urtheil, welches das Gesetz auf den 
entschiedenen Fall anwendet oder die Sentenz fällt; das letzte 
Urtheil ist nur die richtige Anwendung des Gesetzes, cs gehört 
zur Gesetzesausführung, es bildet eine Function der regierenden 
Gewalt, die zu diesem Zwecke rechtskundige Männer als Richter 
oder Gerichtshöfe einsetzt. Anders verhält es sich mit dem Ur 
theilsspruche der ersten Art, der über Recht oder Unrecht, Schuld 
oder Unschuld im einzelnen Fall entscheidet. Hier müssen alle 
durch den öffentlichen Rechtszustand mögliche Bürgschaften gege 
ben sein, daß auch nicht die kleinste Parteilichkeit auf Seiten der 
rechtsprechenden Gewalt stattfinde. Wenn Richter und Partei 
eine Person ausmachen, so ist es um die öffentliche Gerechtig 
keit geschehen. Wenn der Gesetzgeber oder der Regent zugleich 
die richterliche Gewalt ausübt, so ist keine Bürgschaft gegeben, 
daß Richter und Partei immer getrennt sind. Auch dürfen die 
Personen, denen die Entscheidung über Recht und Unrecht zu 
kommt , nicht ständig dieselben sein, weil dann der Fall eintreten 
kann, daß sie in eigener Sache richten. Die einzige politische 
Bürgschaft für die Unparteilichkeit der Richter, ist die Trennung 
der rechtsprechenden Gewalt von den beiden anderen, die Bestim 
mung der Richter durch Volkswahl, die Form der Jury, die 
das Schuldig oder Nichtschuldig im einzelnen Fall ausspricht. 
Es ist also überhaupt die Trennung der Staatsgewalten,
	        
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