Volltext: Kant's System der reinen Vernunft auf Grundlage der Vernunftkritik [4. Band. Zweite rev. Auflage] (4,2 / 1869)

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ist, formell betrachtet, die Willkür oder das Vermögen der ein 
zelnen Person, nach ihrem Gutdünken zu handeln, so weit ir 
gend ihre Macht reicht. Darin liegt die durch nichts gehinderte 
Möglichkeit, daß sich die Freiheitssphären der verschiedenen Per 
sonen in ihrer Wirksamkeit gegenseitig stören, feindlich gegen ein 
ander gerathen, das geordnete Zusammensein und dadurch die 
Freiheit jedes Einzelnen gefährden und aufheben. Darum ver 
langt das Freiheitsgesetz, wenn es nicht sich selbst widersprechen 
soll, daß die Willkür jedes Einzelnen sich dem Anderen gegenüber 
in die richtigen Grenzen einschließe, daß keiner die Freiheit des 
Anderen verletze. So wird die persönliche Freiheit in jedem Ein 
zelnen mit einer Richtschnur umgeben, innerhalb deren sie eine 
gesicherte Sphäre beschreibt und ausfüllt. Diese Sphäre ist ihr 
Recht; die Anerkennung und Bewahrung der fremden Freiheit 
ist ihre Pflicht. Ohne diese Pflicht giebt es kein Recht, ohne 
Recht überhaupt keine Freiheit. Erst in dieser Form stimmt die 
Freiheit mit sich selbst überein. Darum muß die Freiheit das 
Rechtsgesetz fordern. Das Recht ist ein nothwendiges Postulat 
der praktischen Vernunft. Die kantische Erklärung sagt: „das 
Recht ist der Inbegriff der Bedingungen, unter denen die Will 
kür des Einen mit der Willkür des Anderen nach einem allgemei 
nen Gesetze der Freiheit zusammen vereinigt werden kann*)." 
3. Recht und Zwang. Enges und weites Recht. 
Daraus erhellt, wie das Recht vernünftigerweise verstanden 
sein will. Es ist ein Verhältniß zwischen Personen, ein gegen 
seitiges Verhältniß, weil jede Seite der anderen gegenüber zu 
gleich berechtigt und verpflichtet ist; dieses Rechtsverhältniß ist 
*) Metaph. Anfgsgr. der Rechtslehre. Eint. in die Rechtsl. §. A 
§. B. — 33b. Y. S. 29 — 30.
	        
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