Volltext: Kant's System der reinen Vernunft auf Grundlage der Vernunftkritik [4. Band. Zweite rev. Auflage] (4,2 / 1869)

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Dieser Einwurf, unwiderleglich aus dogmatischem Gesichts-! 
punkte, löst sich auf unter dem kritischen. - Alle Handlungen sind 
Erscheinungen und als solche in der Zeit. Wenn nun die Hand 
lungen in ihrem letzten Grunde Wirkungen oder Producte Gottes 
wären, so müßte Gott in der Zeit wirken, so müßte die göttlich 
Wirksamkeit selbst zeitlich bedingt sein. Wie aber die Schöpfung 
nicht zeitlich bedingt sein kann, so kann auch Gott nicht als 
Schöpfer der Erscheinungen, nicht als Ursache der Zeitbegeben 
heiten, also auch nicht unserer Handlungen vorgestellt werden. 
Die göttliche Causalität ist zeitlos. Sind einmal Dinge an sich 
und Erscheinungen richtig unterschieden, so ist auch zwischen Gott 
und den Handlungen in der Welt diejenige Grenze gesetzt, welche 
die Freiheit der letzteren Gott gegenüber ermöglicht*). 
II. 
Lösung des Problems. 
1. Der intelligible Charakter. 
Jetzt leuchtet ein, wie allein die Freiheit als Ursache der 
Handlungen in der Welt sich denken läßt. Wenn die Ursache 
meiner Handlung ein anderes Wesen ist als ich selbst, so ist meine 
Handlung unfrei. Wenn ich selbst die zeitliche oder empirische 
Ursache meiner Handlung bin, so ist meine Handlung ebenso un 
frei als ich selbst. Meine Handlung ist frei, wenn ich ihre all 
einige Ursache bin, ihre intelligible oder unbedingte Ursache. Mit 
hin ist die Freiheit nur dann möglich, wenn das Subject der 
Handlung gedacht werden kann als „intelligibler Charakter". 
Um diese Frage gleich an dem eigenen Wesen zu untersuchen, 
so sind wir selbst ein Gegenstand unserer äußeren und inneren 
*) Ebendaselbst. Kritische Beleuchtung der Anal. u. s. f. — Bd. IV. 
S. 217—220.
	        
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