Volltext: Kant's System der reinen Vernunft auf Grundlage der Vernunftkritik [4. Band. Zweite rev. Auflage] (4,2 / 1869)

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Die Freiheit ist das Vermögen einer von äußeren Ursachen 
unabhängigen Wirksamkeit, einer unbedingten Causalität. Eine 
unbedingte Ursache ist nie empirisch und darum nie erkennbar. 
In der Natur der Dinge, so weit sie Erscheinungen oder Erfah 
rungsobjecte sind, giebt es nichts Unbedingtes. Das Vermögen 
der Freiheit ist daher nie als Erscheinung gegeben. Unsere Ver 
standesbegriffe gelten nur für Erscheinungen; nur Erscheinungen 
können Gegenstände unserer Erkenntniß sein: mithin ist die Frei 
heit kein Nerstandesbegriff, kein Erkenntnißobject. Nur von 
Erscheinungen sind Erkcnntnißurtheile möglich, darum darf von 
der Freiheit weder bejahend noch verneinend geurtheilt werden, 
sie läßt sich dogmatisch weder behaupten noch ableugnen: das 
alles hatte die Kritik der reinen Vernunft in ihrer dritten Anti 
nomie bewiesen. Dieser Satz bleibt unumstößlich. Aus der Na 
tur der Dinge können wir die Freiheit nicht erklären; eben so 
wenig ist der Freiheitsbegriff selbst im Stande, etwas in der Na 
tur der Dinge zu erklären. Erkennbar also ist das Dasein der 
Freiheit in keinem Falle, eben so wenig ist das Nichtdasein der 
Freiheit erkennbar. Der Empirismus, der sie leugnet, ist eben 
so wenig berechtigt, als der Idealismus, der sie behauptet. 
2. Freiheit und Zeit. 
Wenn die kritische Philosophie die Erkennbarkeit der Frei 
heit verneint, so verneint sie damit nicht auch deren Dasein. 
Die erste Verneinung ist kritisch, die zweite wäre dogmatisch. 
Etwas kann dem Begriffe nach möglich sein, ohne unserem Ver 
stände gegenständlich zu sein: im letzteren Falle ist es erkennbar, 
im ersten ist es bloß denkbar. Wenn die Vernunftkritik die Er 
kennbarkeit der Freiheit verneint, so verneint sie damit nicht auch 
deren Denkbarkeit.
	        
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