Volltext: Kant's System der reinen Vernunft auf Grundlage der Vernunftkritik [4. Band. Zweite rev. Auflage] (4,2 / 1869)

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Natur des Menschen entdeckt, so bildet den Ausgangspunkt des 
sittlichen Handelns das Gefühl, den Zielpunkt das Wohlgefühl: 
die so begründete Sittenlehre ist Gefühls- und Glückseligkeits 
theorie. Entweder nimmt sie ihren Ausgangspunkt in dem phy 
sischen Gefühl und Bedürfniß, wie Epikur, oder in einem soge 
nannten moralischen Gefühle, wie die englischen Sittenlehrer der 
neueren Zeit, namentlich Hutcheson. 
Es bleibt noch übrig, daß die empirische Sittenlehre ihre 
Grundsätze aus äußeren Bedingungen herleitet; dann ist es ent 
weder die Gesellschaft und der bürgerliche Zustand, der die Sitt 
lichkeit bedingt, oder es ist die Erziehung, aus der sie hervorgeht: 
im ersten Falle sind die Moralprincipien politisch, im anderen pä 
dagogisch ; als Beispiel der ersten Art läßt Kant Mandeville gel 
ten, als Beispiel der zweiten Montaigne. 
Wie verschieden diese Moralsysteme auch sind, wie groß der 
Unterschied auch ist zwischen Mandeville und Crusius, zwischen 
Epikur und Wolf: sie sind sämmtlich dogmatisch, sie gründen sich 
alle auf das Princip der Heteronomie und sind darum gleich un 
fähig, die wirkliche Moralität zu begreifen und wahrhafte Sitten 
lehre zu sein. Nicht das Gesetz macht den Willen, sondern der 
Wille macht das Gesetz: das ist der Unterschied zwischen Hetero 
nomie und Autonomie*). 
3. Das Sirtengesetz a l s Freiheit. 
Uebergang zur Kritik der praktischen Vernunft. 
Wir sind bis zur Wurzel des sittlichen Handelns und damit 
der Sittenlehre vorgedrungen. Die Möglichkeit der Moralität 
und des moralischen (kategorischen) Imperativs setzt den selbst- 
*) Ebendaselbst. II Abschn. — Bd. IV. S. 60—72. Vgl Kri 
tik der prakt.Vern. I Theil. I Buch. IHptst. §. 8.— Bd. IV. S. 142 
bis 145.
	        
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