Volltext: Kant's System der reinen Vernunft auf Grundlage der Vernunftkritik [4. Band. Zweite rev. Auflage] (4,2 / 1869)

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*) Ebendaselbst. II Abschn. - Bd. IV. S. 40 —43. 
einen bestimmten Zweck. Wenn ich einen bestimmten Zweck er 
reichen will, so muß ich die Mittel wollen, die dahin führen;' 
das Wollen des Zwecks begreift das Wollen der Mittel in sich. 
Aus der Vorstellung des vorausgesetzten Zwecks folgt die Anwei 
sung auf die richtigen jenem Zweck angemessenen Mittel, folgen 
also die Rathschläge der Klugheit und die Regeln und Vorschrif 
ten zur Geschicklichkeit. Die Gebote der pragmatischen und tech 
nischen Imperative sind daher analytische Sätze. Dagegen 
der moralische Imperativ verknüpft ohne jede Rücksicht auf einen 
vorausgesetzten Zweck, ohne Rücksicht auf die in dem Willen ent 
haltenen Triebfedern und Neigungen ein Gesetz von schlechter 
dings allgemeiner Geltung mit unserm Willen. Dieses Gesetz 
kann nicht aus dem gegebenen Begriffe des Willens geschöpft 
sein, denn der gegebene Begriff ist empirisch, und aus einer 
empirischen Bestimmung folgt kein allgemeines Gesetz, keine sitt 
liche Regel. Das Sittengesetz ist daher kein analytischer, son 
dern ein synthetischer Satz, der unabhängig von aller Erfah 
rung , also a priori feststeht: cs ist mithin „ein synthetischer Satz 
a priori". Hier erscheint das Problem der Sittenlehre in dersel 
ben Form als das Problem der Vernunftkritik. Die Vernunft 
kritik frug: wie sind synthetische Urtheile a priori möglich in 
theoretischer Hinsicht? Die Sittenlehre frägt: wie sind synthe 
tische Urtheile a priori möglich in praktischer Hinsicht? Man 
darf demnach das Problem der gesammten kritischen Philosophie 
in die eine Formel zusammenfassen: wie sind sowohl in theoreti 
scher als praktischer Hinsicht synthetische Urtheile a priori mög 
lich ? In dieser Formel liegt die ganze Schwierigkeit der Unter 
suchung. Die Sittenlehre hat jetzt den Punkt erreicht, wo sie 
in den Kern ihrer Aufgabe eingeht *).
	        
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