Volltext: Kant's System der reinen Vernunft auf Grundlage der Vernunftkritik [4. Band. Zweite rev. Auflage] (4,2 / 1869)

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lehre, oder dieselbe ist metaphysisch. So begründet sich die Me 
taphysik der Sitten. Ist bestimmt, was Moralität ist, so wird 
weiter gefragt werden müssen: wie ist sie möglich? In dieser 
Frage liegt der Uebergang von der Grundlegung der metaphysi 
schen Sittenlehre zur Kritik der praktischen Vernunft. 
So entsprechen die Probleme der Sittenlehre in ihrer ein 
fachen Ordnung vollkommen den Problemen der Erkenntniß, wie 
sie die Vernunftkritik gefaßt hatte. Die Grundfrage der Ver- 
nunftkritik hieß: was ist Erkenntniß und wie ist sie möglich? 
Eben so lautet die Grundfrage der Sittenlchre: was ist Morali 
tät und wie ist sie möglich? Der erste Theil dieser Frage: „was 
ist Moralität?" bildet das eigentliche Object der Untersuchung zur 
Grundlegung der Metaphysik der Sitten. Dieser Grund ist gelegt, 
sobald die Frage: was ist Moralität? ebenso bestimmt gelöst sein 
wird, als die Vernunftkritik die Frage nach der Erkenntniß mit 
jener Formel entschieden hatte: „Erkenntniß besteht in synthetischen 
Urtheilen a priori." So weit diese Untersuchung, die eigentliche 
Fragestellung, in der Vernunstkritik gereicht hatte, eben so weit 
reicht in der Sittenlehre die Grundlegung zur Metaphysik der 
Sitten. 
II. 
Das Moralprincip. 
1. D er moralische Sinn. 
Das oberste Princip der Moralität soll gesucht und festge 
stellt, aus dem entdeckten Principe soll entschieden werden, ob 
dasselbe empirisch oder metaphysisch ist. Die Erkenntniß der Sit 
tengesetze heiße praktische Philosophie oder sittliche Weltweisheit. 
Wenn sich diese Erkenntniß auf Erfahrung gründet, so ist sie em 
pirische oder populäre sittliche Weltweisheit; gründet sie sich auf 
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