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fahrungsbegriff. Also ist der absolute Raum für die Naturwissen
schaft ein nothwendiger, aber kein empirischer Begriff: er ist ein
Vernunftbegriff oder eine Idee, kein Object, sondern eine Regel,
wonach wir die Ruhe und Bewegung der Körper objectiv bestim
men können. Wie wollen wir ohne den Begriff des absoluten
Raumes die Bewegung phoronomisch bestimmen? Wir sagen:
der Körper bewegt sich in Rücksicht auf einen anderen, er bewegt
sich in einem relativen Raum; oder dieser relative Raum bewegt
sich in entgegengesetzter Richtung. Wenn wir die zweite Bewe
gung annehmen, so müssen wir die erste verneinen, wir müssen
den Körper als ruhend vorstellen, nicht als ruhend in einem be
weglichen Raume, denn das wäre keine Ruhe, sondern als ruhend
in dem nicht beweglichen, d. h. absoluten Raum. Ohne diesen
Begriff ist die phoronomische Bestimmung der Bewegung und
Ruhe unmöglich*).
2. Der leere Raum.
Vom absoluten Raum unterscheiden wir den leeren. Der
absolute Raum gilt dem naturwissenschaftlichen Urtheil nicht als
Object, sondern nur als Bestimmungsregel für Bewegung und
Ruhe. Dagegen der leere Raum hat in den naturwissenschaft
lichen Theorien die Geltung einer objectiven Existenz; das Dasein
desselben wird als eine nothwendige Annahme erachtet, um daraus
gewisse Naturerscheinungen zu erklären. In der Phoronomie,
die von der Materie als Masse (von dem erfüllten Raume) absieht,
ist der leere Raum, wie der absolute, keine angenommene Exi
stenz, sondern eine Bestimmungsregel des phoronomischen Ur
theils; dagegen die Dynamik und Mechanik bedienen sich dieses
Begriffs als einer erklärenden Hypothese.
*) Ebendas. IY Hptst. Mg. Anm. z. Phänomenol. — Bd. YIH,
S. 559-564.