Volltext: Walter von Molo (Heft 8 / 1927)

Walter Don DTIdIo 
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i2. Juni, 1809. 
Nun hab' ich Zeit zum Schreiben. — Ich muß mich sammeln; wer 
weiß, wie lange noch dies Leben währt. — — Ich will in der Ordnung 
beginnen: ich war schnell eingestellt, mit Hacke und Spaten; zur Rechten 
einen zugrunde gegangenen Schneider, zur Linken einen zusammen 
gefangenen Bettler. Ich dachte an Weib und Kind und begann zu 
arbeiten. Glühend stand aus dem Himmel die Sonne und sengte unsere 
Nacken. Französische Soldaten hielten die TLache. Wir gruben an einem 
Erdauswurs, von dem wir nicht wußten, ob er unser Grab werden solle 
oder eine Verteidigungslinie. — Des Mittags war eine halbe Stunde 
Pause, da teilte der Schneider mit mir sein Brot, wir sprachen von 
früheren Zeiten. — Als ich meinen Namen nannte, wurde er stumm, 
allzutief faß in ihm die ererbte Hochachtung vor dem Geld, das ich 
nimmer besitze. — Als wir wieder zu arbeiten begannen, rückte er ab 
von mir. So bleibt uns, wenn wir fallen, nicht einmal der Trost mensch 
lichen Mitleids. Es mag 4 Uhr gewesen sein, wir standen 
schon tief in der Grube, so daß nur unsre Köpfe noch hervorragten, da 
hörte ich Stimmengewirr. Ich beugte mich zur Arbeit, denn ich wollte 
niemanden sehen, und es mußte ein höherer Offizier sein, der nun zur 
Besichtigung kam. Der französische Soldat, der unsere Gruppe bewachte, 
riß sich zusammen. — Ich sah nicht rechts und nicht links und hieb mit 
der Hacke, daß die Funken aus den Steinen stogen. — Nun standen sie 
über mir. — Aus einmal spüre ich einen leichten Schlag aus der 
Schulter und ich seh' gerade noch das Ende der Reitgerte, die mich be 
rührt hatte, über meinem Kopf verschwinden. Oben stand er! Mit ver 
schränkten Armen, wie man ihn oft darstellt, und lächelte ein zynisches 
Lachen, „bin patriot?" 
Ich stand vor ihm, am Rande der Grube. — Ich weiß nicht, wie 
alles gekommen ist, ich sah seinen Blick, der so hart und unbarmherzig 
über meine elende Gestalt ging, der so viel Geringschätzung in sich birgt 
und so viel Unglück bedeutet. „Allons, zur Arbeit!" Ich mag mich wohl 
gewehrt haben und mein unleidiger Stolz mag mitgeholfen haben; ich 
hab' ihm fest in die Augen gesehen und an den ungläubigen Schneider 
gedacht, drunten in der Grube; ich hab' gesagt: „Laonaparte, ich war 
einst mehr als Ihr; ich bin jetzt nur so elend, weil Ihr mich be 
stohlen habt!" Da sind ste über und um mich her, und ich krieg' eine 
Schaufel zu fassen; damit soll ich nach ihm geschlagen haben — so 
sagt mir der Posten, der vor der Türe steht. Denn ich bin gefangen, in 
einem kleinen, schmutzigen Holzschuppen, in dem die Werkzeuge lagern. 
— Wer weiß, ob ich Frau und Kind noch einmal sehe? Es ist schrecklich, 
zu denken, daß nun wieder ein Sommer kommt und lange, heiße Nächte, 
in denen sie um mich weinen werden. — Warum ich nicht überlegter 
war, nicht an die Meinen dachte? Ich dachte an die Meinen! In 
andern Verhältnissen wären wir vielleicht Freunde geworden; er, der 
Länderkausmann, und ich, der Großhändler! So wie er, verwegene Eroberer 
müssen meine Vorfahren gewesen sein, die unser Haus schufen. — Mrzeih'
	        
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