Volltext: Walter von Molo (Heft 8 / 1927)

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Walter von Molo 
wnndeten unter, denn die Spitäler reichen nimmer. Bei den Minoriten 
in der Alsergasse liegen die gefangenen Oesterreichs, es sind nicht allzu- 
viele. — Rastlos wird in der Lobau gearbeitet. 
Donnerstag, 25. Mai 1809. 
Ich hab' ihn gesehen! — Mitten unter seinen Garden ist er durch 
die Roßau galoppiert! Er sitzt nicht gut zu Pferd und hat ein bleiches 
Sünderantlitz. — Wenn er aufsieht, ist sein Blick stechend. Er hat mich 
zufällig getrosten. Mein Herz hat wild zu schlagen angefangen und ich 
bin mit geballten Fäusten getaumelt. Was wissen die ehrsamen Bürger, 
die ihn als Feind ihres Vaterlandes hasten, von meinem Groll! Sie 
sind Gegner auf Grund politischer Ueberzeugungen, ich aber bin sein 
persönlicher Feind! Vom Millionär in kurzen Jahren zum Bettel 
mann werden, trägt niemand leicht; am wenigsten altes Blut. Was ist 
er gewesen? Ein armer kleiner Offizier, der nichts hatte und nichts ver 
langen durste! Und ich! Der größte Kaufmann, den Schwaben und 
Italien kannte, als er, ein angeklagter Verräter, aus der Armee gestoßen 
wurde. Dazwischen liegen nur vierzehn Jahre! Des Lebens Mühlen 
mahlen rasch! — Es ist schon mancher im Triumph gefallen, 
Napoleon! — 
Samstag, den 27. Mai 1809. 
Die Brotnot nimmt zu, die Bäckereien arbeiten von unserm Korn für 
die Franzosen Kommißbrot, uns bleibt der Hunger! Gestern ist eine 
strenge Verwarnung erschienen, gegen jeden, der mit dem Brot Wucher 
treibt. — Die „Wiener Zeitung" ist französisch worden und nimmt die 
Partei der Fremden. —- Ich muß Arbeit sinden. Die Franzosen 
nehmen den Bauern das Fuhrwerk fort und werfen im Augarten und 
in der Spittelau Schanzen auf, da arbeiten viele Tausende. 
Sonntag nach Psingsten, 1809. 
Zwei Mann der Bürgermiliz wurden heute erschossen. — Das Volk 
ist schwach und ohne Führung. — Wo bleibt Erzherzog Karl? Warum 
handelt Preußen nicht? — 
Fronleichnam. 
Keine Prozession! Man redet von Hungersnot, mein Weib ist krank 
und das Kind ohne Pstege. And doch, ich kann es nicht, ich kann nicht 
für die Fremden, gegen Welsche Dienste tun! — Was aber sonst? — 
Warum fällt nicht die Welt zusammen über soviel Unglück? — Es 
ist kein Brot zu bekommen und kein Arzt, sie sind alle in den Spitälern. 
Man sammelt für die Verwundeten und läßt die Gesunden Hungers 
sterben. — Ich muß es tun. Die Familie ist das Höchste! Ich will 
sehen, ob sie mich nehmen, zum Schanzen bauen. Es muß fein; schweig' 
still, Herz!
	        
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