Volltext: Walter von Molo (Heft 8 / 1927)

Das Neue Buch 
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Dabei bleibt er, bei aller Breite der Darstellung, der Meister der kurzen, schlagenden 
Sätze, der geistsprühenden knappen Sprache. — Diese Eigenart festzuhalten, die per 
sönliche Note, die leicht überall mitklingende Spottlust lebendig in die Uebertragung zu 
übernehmen, ist der Uebersetzerin vortrefflich geglückt. Der Umsang des Buches (H8o 
Seiten) darf nicht abschrecken! Wer France richtig zu werten vermag, konnte kaum 
Anderes erwarten. Leichtfertig hätte er sich erwiesen, wäre er mit seinem Urteil leicht 
fertig geworden in diesem Falle, da er sich die Ausgabe stellte, über eine der aller- 
wundervollsten Erscheinungen der Menschheit seine Meinung 'klarzulegen. Das Werk 
mußte notwendigerweise einen derartigen Umfang annehmen! Zwar sah sich die Ueber- 
tragende veranlaßt, die ihr entbehrlich erscheinenden Teile der Kriegsschilderungen und 
eingefügten Heiligenlegenden in die nun vorliegende deutsche Ausgabe nicht aufzunehmen, 
und man mag auch meinen, es wären noch weitere Kürzungen vorteilhaft gewesen, doch vor 
die Frage gestellt: anzugeben, bei welchen Abschnitten weitere Abstriche vorzunehmen 
wären, wird das Entscheiden schwierig. Kaum einige Zeilen von den lebenden Schilde 
rungen der Heimat und der frühesten Jugendzeiten und der Vorgeschichte der Berufung 
wird man missen wollen und ebensowenig Teile aus dem Verlaus, aus den Erzählungen 
über die Verwicklungen und Schicksale bis zum grauenvollen Ende. Weit ausführlicher 
noch mag man alles und alles über den unerklärlich verworrenen Prozeß und über jene Ant 
wortend er Jungfrau hören, die France in seinem Vorworte so treffend als heldenhaft, 
aufrichtig und durchsichtig klar bezeichnet. Inmitten der kleinlichen, streitenden Größen, 
inmitten der Unsumme von Hinterlist, Bosheit, Schurkerei und Erbärmlichkeit steht 
Johanna engelsgleich in heiliger Schlichtheit einsam im Kamps. Schwerlich wird man 
sich dahin aussprechen können, daß Teile ausbleiben könnten von diesen letzten Ab 
schnitten oder von den Nachrichten über die Nachfolger und Nachahmer der Jungfrau, 
denn just diese Angaben beleuchten die Verhältnisse in jenen Zeiten in überaus treffender 
Weise. Kurz, alles, was beim ersten Durchblättern den Eindruck einer fast beängsti 
genden Weitläufigkeit wachrufen mag, fügt sich beim Lesen so überzeugend und so 
innig aneinander, daß man nicht inne hält, denn dieses, das Wesen einer wissenschaft 
lichen Forschung zeigende Werk ist eine ununterbrochen fesselnde historische Dichtung, 
ein Buch erfüllt von überwältigendem Zauber. S. S. 
KLEINOD TIROL. Roman aus dem sinkenden Nlittelalter. Von Heinrich von 
Schullern. Leinen S. 12.—. Tyrolia, Innsbruck. — Um den Tiroler Dichter war es in 
den letzten Jahren ziemlich stille geworden. Vor etwa einem Jahre ein dünnes Gedicht 
bändchen und vor kurzer Zeit sein Buch „Zwischen Welt und Bergesstille". Wenn man 
nun seinen neuesten Rcman „Kleinod Tirol" gelesen hat, begreift man die Stille. Denn 
dieses Buch setzte genaue GeschichtS- und Sprachstudien voraus, um das zu werden, 
was es geworden ist: ein kulturgeschichtlicher Roman bester Art. Wir beglückwünschen 
Schullern zu dieser Leistung, die ihn in die erste Reihe unserer Heimat-Dichter stellt. 
Ein lebensfrisches Bild der Zeit des finkenden Mittelalters wird hier entrollt, das 
farbenprächtige und aber auch wenig anmutende Szenen aufweist: hier das prunkvolle 
Leben bei Hof und den reichen Bürgern, dort der Verfall im sittlichen und staatlichen 
Leben. Aber über diesen betrüblichen Erscheinungen, die rücksichtslos aufgedeckt werden, 
leuchtet unverrückbar die große Liebe und Begeisterung für das Kleinod Tirol, um dessen 
Bestand und Einheit der tatkräftige Gaudenz von Nlatsch gegen eine lahme Regierung, 
gegen Hofintrige und gegen den italienischen Erbfeind kämpft. Wer denkt dabei nicht 
an die jüngste Vergangenheit und wenn drängt sich nicht unwillkürlich der Vergleich 
auf, wie auch damals schon in Blut und Tränen um die Einheit deö Landes gerungen 
wurde und wie dieses zerrissen und zerspalten war! Schullern wird den verschiedensten 
Ereignissen, Zusammenstößen innerer und äußerer Art in seiner Darstellung gerecht, er 
beschönigt nichts, fußt aber auch nicht auf einseitigem Partei- oder Religionsstandpunkt, 
er wollte nur im Rahmen eines Hochgesanges auf die Heimat das finkende Mittelalter 
mit all' seinen Irrungen und Hoffnungen darstellen, nicht ein Zerrbild, sondern ein 
getreues Spiegelbild der damaligen Zeit bieten. K. 
HÖLDERLINS 3 C HIG KSALSWE G. Roman von Maria Schneider. Geh. 
Mk. 5.5o. Adolf Bonz & Co., Stuttgart. — Zwei Dichterinnen sind eö, die in letzter Zeit 
die Aufmerksamkeit auf sich lenkten: Paula Grogger mit ihrem Romane „Das 
Grimmingtor" und Maria Schneider mit ihrem Hölderlin-Buch. Während Grogger,
	        
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