Volltext: Walter von Molo (Heft 8 / 1927)

Lrteraturwarte 
WALTHER HJALMAR KOTAS 
SPRACHLITERATUR 
Oer Trieb zur Erlernung fremder Sprachen wie auch die Begabung für das Sprach 
studium ist ein Wesenszug, der nächst dem Slaven besonders dem Deutschen eignet. 
Abgesehen von der reinen Philologie, die bei all ihren Vorzügen dennoch nicht im ent 
ferntesten den Sinn jedes Sprachstudiums, die Erfassung des fremden Volksgeistes, 
erstrebt, ist im Deutschen stets der Drang rege, stch eine fremde Kulturwelt dadurch, 
zu eigen zu machen, daß er die Sprache des betreffenden Volkes praktisch zu meistern 
lernt. Dies nur ist wahres, zweckmäßiges Sprachstudium. Weder die tote Etymologie, 
die stch mit zeit- und geistraubender WurzelauSjätung befaßt, noch das Bedürfnis des 
Geschäftsbeflissenen, ein Idiom in seinem alltäglichen Floskelschatz kennen zu lernen, 
kann ernstlich Sprachstudium genannt werden. Sprache ist wortgewordener Geist, und 
diesen zu erfassen, darauf kommt es an. 
Diesen Standpunkt nehmen Gott sei Dank die meisten deutschen Grammatiker ein 
und sie haben dem deutschen Volk dadurch zu dem Ruf verholfen, die beste Sprach- 
literatur sein Eigen zu nennen. Diese Behauptung ist keine patriotische Uebertreibung. 
Denn vergleiche ich die mir zugänglichen in England erschienenen Grammatiken und 
Wörterbücher, so muß ich zu dem Schlüsse kommen, daß die englische Sprachliteratur 
entweder eine geschickte Adaption von deutschen Werken vorstellt oder — wenn sie 
originell ist — derart oberflächlich gearbeitet ist, daß sie deutschen Werken nicht das 
Wasser reichen kann. Mir liegt ein in England erschienenes, ziemlich umfangreiches Wörter 
buch der englischen und deutschen Sprache vor, das ein Musterbeispiel darbietet, wie 
ein Lexikon nicht geschrieben sein soll. Jedes deutsche Wort ist in diesem Werke durch 
eine Menge von englischen Synonymen wiedergegeben, von denen stch jedoch besonders 
bei abstrakten Begriffen kaum eines mit der deutschen Bedeutung deckt. 
Der hohe Standard der deutschen Sprachliteratur soll uns aber nicht dazu verleiten, 
die Leistungen der deutschen Grammatiker und Lexikographen kritiklos hinzunehmen. 
Einige offene Worte der Kritik sowie eine Anleitung für den Sprachenlernenden, welche 
Werke für ihn am meisten in Betracht kommen, soll dieser Artikel bringen, dessen Ver 
fasser stch wohl durch die Tatsache, daß er fünfzehn verschiedene Sprachen erlernte, 
bezüglich Sachkundigkeit genugsam legitimiert glaubt. 
Der erfolgreichste polyglotte Verlag Deutschlands, war bisher zweifellos Langen- 
fcheidt. Es ist das ungeheure Verdienst diefes Unternehmens, als erstes eine nicht 
langweilende Unterrichtsmethode und ein mustergültiges Aussprachsystem gefunden zu 
Haben, das den geheimsten Lautschattierungen nachspürt. Aber die Methode Langen- 
scheidt droht — hier sei eS unverhohlen gesagt — zu veralten. Oie Unterrichtsbriefe, 
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