Volltext: Walter von Molo (Heft 8 / 1927)

Walter Don Molo 
Das Kind meinte, fein Vater solle keine Angst haben, es werde sich 
gewiß bessern; der Vater aber nickte dankbar und gerührt, als fasse er 
die Sache ganz anders aus. Er küßte sein Kind voll abbittender Innig 
keit; er sah ihm tief, ehrfürchtig in die wundervollen schuldlosen Augen,, 
die klar und hell wie ein Hochgebirgspanorama im Frühling in ihn 
blickten. Eng umhalst, dicht aneinandergeschmiegt, Wange an Wange 
saßen sie; sie stützten sich jetzt gegenseitig. 
Ueber ihnen kirrte in der Sonnenhitze der Schrei des Gerers. Er fand 
keine Bente. 
5- 
DAS ROSERL 
I ch habe rechte Sorge um das Kind," sagte die Mutter am nach 
mittägigen Kasfeetisch in der Loggia der Waldvilla zum Vater. „Wir 
haben es vielleicht doch zu streng und zu — prüde erzogen!? Unser 
armes Roserl fürchtet sich ja vor der Ehe! Ach ja," sprach die Mutter 
in kummervollen Selbstvorwürsen, trübe das herrliche sommerliche Wald 
tal vor den Angen, das sonnig vor ihr, zu Füßen der Burgruine schlief. 
,,Sie wird immer stiller und verlegener! Seit der Heinz hier ist, ist sie 
so verlegen, daß sie einen ja kaum mehr ansieht? Immer hat sie jetzt 
rote Wangen, und sie magert auch ab? Ich hätte ihr, bei Gott, einen 
leichteren Brautstand gewünscht." Vom Tennisplatz her kamen die Söhne 
znm Vorschein; drei fröhliche Burschen zwischen sechzehn und neunzehn. 
,,Vielleicht machen die Buben dumme Witze?" sprach besorgt die Mutter. 
„Vielleicht schämt sie sich deswegen, zu zeigen, daß sie in ihren Bräutigam 
verliebt ist?" TDägend sah sie ihren Gatten an. Der blickte über den 
seingeschorenen Rasen zum Birkenwäldchen, aus dem das Roserl im 
Dirndelkostüm trat. Zierlich und still, harmonisch schreitend, den braun 
gebrannten Bräutigam in Kniehosen zur Seite, der das Buch trug, aus 
dem er vorgelesen hatte. „Siehst du," sprach die Mutter, den zweien 
entgegenschauend, „sie steht ihn wieder nicht an?! Ich muß sie abhärten! 
Ich muß! Sonst gibt es eine Katastrophe! Sie scheut sich ja selbst, 
ihn zu küssen? Und der Heinz ist doch wirklich ein lieber Kerl? Warum 
lachst du?" — „Eben," sprach der Vater, gut gelaunt, er strich sich 
den Weltmannsbart, „weil der Heinz ein lieber Kerl ist!" Ehe die Be 
fremdete fragen konnte, trampelten die Söhne die Steintreppe empor; das 
Brautpaar, das durch die Villa den Weg genommen hatte, trat von 
der Zimmerseite her in die Loggia. Den Kops gesenkt, derweil die Brüder 
anhuben, in Brot, Butter und Honig zu arbeiten, kam das Roserl zum 
Tisch. Unsicher sah der Bräutigam die Mutter an. Die faßte aus Mit 
leid und Mutterverpflichtung heraus einen heroischen Entschluß. „Du mußt 
dich dann umkleiden!" sprach sie streng, „wir wollen dann zum See 
hinunter! Friesiere dich auch neu! Eine Braut darf nicht immer so zer 
zaust herumlaufen! Du hast jetzt immer daran zu denken, wie du deinem 
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