Volltext: Schreib das auf, Kisch!

Mittwoch, den 26. August 1914. 
Im Regimentsbefehl wird verlautbart, daß an der russischen 
Grenze bei Sokal am 23. d. M. ein großer österreichischer Sieg 
erfochten und tausend Russen gefangen wurden. Wir waren 
schon nahe daran, uns mit der völligen Impotenz Österreichs 
abzufinden. 
Unter einem weitverzweigten Kirschbaum, nahe vom Haupt¬ 
posten, lag ich heute nacht. Im Halbschlaf huschte so etwas wie 
ein erotischer Gedanke durch meine Sinne. Es war die erste 
Regung dieser Art, und so deplaziert sie hier war, so schnell 
mußte sie auch verschwinden. Übrigens sind dergleichen Ge¬ 
fühle auch bei den anderen verstummt, man hört keine fri¬ 
volen Scherze mehr, die große Sehnsucht nach baldigem 
Frieden scheint ihren Hauptgrund in dem brennenden Verlangen 
nach einem guten Schweinsschlögel und vor allem nach Piseker 
oder Smichower Lagerbier zu haben, wenn man den Reden der 
Leute glauben darf. Von Frau und Kind sprechen sie jetzt schon 
viel seltener. 
Die Köche, die in Bjelina einkaufen waren, bringen das Ge¬ 
rücht mit, daß Italien an Österreich die Forderung gestellt habe, 
von Serbien abzustehen. 
Der Nachmittag brachte Abwechslung in unser Lageridyll. 
Ein nackter Mann kam atemlos zu uns gelaufen und sank zu 
Füßen unseres Oberleutnants nieder, wie der Neger Freitag vor 
Robinson. Er stöhnte und gewann erst nach und nach die Sprache 
wieder. Dann erzählte er, daß er vor zwei Stunden in einer 
Zille eine Patrouille der 13. Kompagnie unseres Regiments über 
die reißende und breite Drina nach Serbien übergesetzt habe. 
Nun wollte die Patrouille wieder herüber, und unser Nackter 
— er lag, während er erzählte, auf dem Boden — und der In¬ 
fanterist Wintera von meinem Schwarm waren hinübergerudert, 
um sie zu holen. Unterwegs aber hatten sie mörderisches Feuer 
bekommen, unser Mann war in die Drina gesprungen, hatte sich 
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