Volltext: Schreib das auf, Kisch!

Finsternis in sie. Wenn ein Blitz die Nacht aufhob, sahen wir 
Gewehre, Brotsäcke, Patronentaschen, Helme, Säbel, Mützen und 
Blutlachen auf dem Pfad und an seinem Rand. 
Beim Lazarett von Milina machten wir halt, um unsere Ver¬ 
wundeten abzusetzen und auf den Morgen zu warten. Ich saß 
auf einem Tornisterberg, in der Ziegelei gingen die Ärzte mit 
elektrischen Taschenlampen und mit Instrumenten umher, ohne 
der Arbeit Herr werden zu können, über 2000 Verwundete von 
einer Division binnen drei Tagen. Wie viele sind tot! 
Mittwoch, den 19. August 1914. 
Die Armee ist geschlagen, ist auf einer regellosen, wilden, 
überstürzten Flucht. Wir haben die Nacht auf dem Gerümpel 
der Sanitätsanstalt verbracht, dem Gußregen ohne Schild preis¬ 
gegeben, klappernd und nur von einer Hoffnung aufrecht¬ 
erhalten: daß es bloß endlich tagen möge. Aber als sich der 
Gesichtskreis erhellte, war das erste, was wir sahen, die in zügel¬ 
losen Haufen vom Torodow Rt laufend ankommenden Soldaten 
unserer 14. Kompagnie und unserer IV. Maschinengewehrabtei- 
lung. Dreißig Offiziere tot oder verwundet, Hunderte von Sol¬ 
daten tödlich oder schwer getroffen, zwei Maschinengewehre 
verloren, der Rest waffenlos, rüstungslos wie wir. 
Auf dem umgelegten Schrank in der Ziegelei und auf dem 
kleinen Tisch vor ihr hantierten die Ärzte, die die ganze Nacht 
nicht geschlafen hatten, amputierten Beine und Arme, trepa¬ 
nierten Sohädeldecken, renkten Kieferbrüche ein, extrahierten 
Geschosse aus der Schläfe oder aus Eingeweiden. Immerfort 
brachte man neue Verwundete, nicht mehr auf Tragbahren, 
denn es gab keine mehr. Man trug sie auf Gewehren oder auf 
Ästen oder in Zeltblättern. 
Wie eine Hyäne des Schlachtfeldes öffnete ich alle Tornister 
der Spitalspatienten, nach einem Hemd suchend. Es brauchte 
nicht sauber zu sein, nur trocken. Endlich fand ich ein ver¬ 
gilbtes Kommißhemd und zog es an. Es war viel zu kurz, und 
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