hier anschießen will, muß man zuerst ein [mit Urin] genäßtes
Taschentuch auf die Stelle legen, die man treffen will, dann sind
die Vergasungs- und Pulverspuren nicht zu sehen.)
Gegen drei Uhr marschierten wir vorwärts, das unaufgelöste
Südbataillon von Achtundzwanzig in unserem Verbände. Wir
waren noch nicht in Wola Michowa, rechts und links von uns
flogen Granaten und Schrapnelle in die verstreuten Hütten oder
platzten hart neben der Straße, längst entwöhnte Töne. Wola
Michowa ist das letzte Dorf in unserem Besitz, im nächsten vor
uns sind die Russen, und auf den Höhen zwischen Wola
Michowa und Smolnik liegen die österreichische und die rus¬
sische Schwarmlinie einander gegenüber. Das Regimentskom¬
mando wurde im Pfarrhof etabliert, darin auch das 57. Brigade¬
kommando untergebracht ist. Die Truppe bewegt sich in Ko¬
lonne weiter, um die Hügel zu besetzen, auf denen die abzu¬
lösenden Zweiundneunziger und Vierundsiebziger sind. Kaum
eine halbe Stunde marschieren wir, da pfeifen, bschenng, Ge¬
wehrkugeln über unseren Köpfen, bschennng. Im selben Augen¬
blick wird Entwicklung zur Schwarmlinie befohlen, und in
Plänklerreihe geht es auf den Kamm und an die Schießscharten
der Deckungen.
Donnerstag, den 18. März 1915.
Der heutige Tag ist bis jetzt der verhängnisvollste in diesem
Kriegsjahr für mich gewesen. Früh bekam ich reichliche Post
von zu Hause, darunter ein Bild meiner Mutter. Gestern hatte
mir mein mit dem Marschbataillon wieder eingerückter Vetter
Dr. Stransky als erster Mensch seit siebeneinhalb Monaten eine
Schilderung des Lebens in meinem Vaterhause gegeben.
Um Yz 3 Uhr nachmittags händigte mir der Generalstabschef
der Brigade, Hauptmann Löhr, einen unwichtigen Befehl an das
Regimentskommando ein, der sich auf Abholung von Stachel¬
draht bezog. Da sich der Sappeur, der gemeldet hatte, daß der
Draht zum Abholen bereit liege, gerade entfernen wollte, glaubte
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