Volltext: Schreib das auf, Kisch!

Stroh, das nie eine Unterlage war, sich aber immer in die Augen 
bohrte, keinen getennten Boden unter den Knochen, sondern 
Matratzen, keinen Brotsack mit der zinnernen Eßschale und der 
nickeinen Feldflasche als weichste Unterlage unter dem Kopf, 
sondern breite Polster. Bett, Bettl Ich strecke mich in die 
Unendlichkeit und bebe vor Angst, einzuschlafen, mich durch 
Schlaf um das Bewußtsein meines Besitzes zu bringen. Dieses 
Tagebuchblatt schreibe ich in einem Bett. 
Mittwoch, den 20. Januar 1915. 
Nie ist mir das Aufstehen schwerer gefallen als heute morgen. 
— Das 6. Marschbataillon unseres Regiments rückte ein, Knirpse 
von Gestalt, flaumbärtige Gesichter und die Muffe, deren Schnur 
um ihren Hals gelegt war, erhöhten den Eindruck, man habe 
Kinder vor sich; zehn Mann Musik, zehn Skiläufer und neue 
Kadettaspiranten, achtzehnjährige Jungen, kamen mit. 
Mein Zimmer hat der quartierregulierende Offizier für zwei 
Oberleutnants requiriert, aber meine Wirtsleute luden mich zum 
Mittagessen ein, ihre Nichte las „Die Judenbuche“, wie sie mir 
erzählte, zum ungefähr zwanzigstenmal, ich sprach mit ihr über 
die Novelle, sie sah mich ganz groß an, wollte immer Neues 
wissen und war sehr traurig, daß ich mich auch dem Bäcsi und 
der Neni widmen mußte; wir verabredeten uns für den Abend, 
und es war sehr schön, obwohl ich nachher im Schweinestall 
schlafen mußte. 
Donnerstag, den 21. Januar 1915. 
Zum drittenmal in den drei Tagen hat der Herr Stations¬ 
kommandant auf tadellose Adjustierung und strammes Salu¬ 
tieren aufmerksam gemacht, in den Kompagnien werden Ge¬ 
wehrgriffe geklopft und Gelenksübungen vorgenommen. Die 
Offiziere sind eben mit dergleichen Schnickschnack erzogen 
worden, und wenn sie jetzt, nach den Erfahrungen des Feld¬ 
zugs, alle geschlossenen Übungen, Griffe, Ehrenbezeigungen und 
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