Volltext: Schreib das auf, Kisch!

Nachsicht zu erbitten und blieb bis abends — die Anzeige wurde 
zurückgezogen. 
Das alles spielt sich ziemlich öffentlich ab, da in jedem Haus 
mehrere Leute gemeinsam wohnen und die Offiziersdiener und 
die Ordonnanzen alles wissen. 
Montag, den 11. Januar 1915. 
Die Potemkinschen Vorbereitungen werden fortgesetzt, Mon¬ 
turen, Waffen, Mützen gefaßt, um dem hohen Herrn das Bild 
einer Armee zu bieten, die „tulli“ aussieht und nur des Augen¬ 
blicks harrt, wieder loszuschlagen. Er hätte uns vor drei Wochen 
sehen sollen, als auf unseren Gesichtern und auf unseren zer¬ 
fetzten Stiefeln der Schmutz von fünf Monaten serbischer Front 
starrte, er müßte sich die Hunderte anschauen, die in den Spi¬ 
tälern liegen und vielleicht morgen wieder einrücken werden, 
ohne neue Uniformen und ohne neue Waffen, er müßte im 
Innern der Leute lesen, die schon drei Rückzüge mitgemacht 
haben! Dann würde er erkennen, welche Siegeszuversicht uns 
innewohnt. Seit ein paar Tagen sind zaghafte Reden unter be¬ 
sonders schweren Androhungen untersagt. Wahrscheinlich ge¬ 
schah das, weil Kaiser Wilhelm erklärt hat: „Schwarzseher 
dulde ich nicht!“ Das ist der ganze Unterschied zwischen 
Deutschland und Österreich, dort verbietet der Kaiser das 
Schwarzsehen, hier wird die Zaghaftigkeit im Verordnungsweg 
untersagt. Ich kann mir nicht helfen, ich sehe schwarz für 
Deutschland und blicke der Zukunft Österreichs zaghaft ent¬ 
gegen. 
Dienstag, den 12. Januar 1915. 
Der Erzherzog inspizierte, heftete Tapferkeitsmedaillen auf 
vorher festgesetzte Brüste, unterhielt sich mit dem Oberst, schritt 
die Front ab, die Musik spielte das Kaiserlied, und aus war’s. — 
In den heute eingetroffenen Wiener Blättern ist die Prophe¬ 
zeiung von Madame de Thebes, die ich in einem Berliner Blatt 
gelesen hatte, konfisziert. 
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