Volltext: Schreib das auf, Kisch!

Nachmittags, beim Begräbnis in der serbischen Kirche, hielt 
ich, wie jeder Trauergast, eine Kerze. Alle waren in besonderer 
Gewandung, denn die Serben feiern heute Weihnachten, die 
Katholiken Dreikönigstag. Der Unterschied zwischen Deutschen 
und Serben wird in der Festtagskleidung noch auffälliger, die 
Deutschen haben blaugrüne Bratenröcke und uralte Zylinder, 
auch ihre Frauen sind heute meist in dunklen Stoffen, mit der 
Tendenz, städtisch zu sein. Die Slawen tragen schreiend helle 
Farben mit metallenen Knöpfen. 
Abends um sieben Uhr ertönte Alarmsignal, Formierung zum 
Abmarsch. Wir sollen eine cholerafreie Gegend beziehen. Der 
Befehl wurde aber, nachdem wir schon gepackt hatten und in 
Doppelreihen vergattert waren, zurückgenommen. 
Donnerstag, den 7. Januar 1915. 
Voll von serbischer Bevölkerung, die weihnachtlich auf und 
ab spaziert, sind die Straßen. Die Frauen haben Kleider 
mit kurzer Schleppe und Samtjacken mit Pelzverbrämung, die 
verheirateten Männer breite Hosen, die unten umgeschlagen 
sind, Männer und Burschen weiße Stehkragen über weißen 
v Hemden (die Existenz von Krawatten kennt man noch nicht) 
und die Mädchen bunte Tücher. Daß es auch heute nicht 
schneit, freut die Deutschen, denn wenn es zur Weihnachtszeit 
der Orthodoxen Schnee gibt und zu jener der Katholiken nicht, 
dann verhöhnen die Slawonier die Schwabas: ,,Seht ihr, zu uns 
kommt Gott auf weißem Roßl“ In diesem Jahre ist Gott zu allen 
auf blutbeflecktem Rappen gekommen. 
Freitag, den 8. Januar 1915. 
Oberstlt.F. sucht jemanden, der ausgezeichnet stenographieren 
kann. In der Kanzlei macht man ihm weis, ich sei der beste 
Stenograph, und so wurde ich von der Kompagnie geholt. 
„Können Sie wirklich gut stenographieren?“ — „Hundertvierzig 
Silben in der Minute,“ erwiderte ich, obwohl ich noch nie 
17 Kisch, „Schreib das auf“ 
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