Volltext: Schreib das auf, Kisch!

Es läßt uns alle Fragen offen . . . 
Doch seine Reinheit ist schon Pracht 
Und gibt in der Sylvesternacht 
Den Mut zu neuem, frohen Hoffen. 
So wollen segnend wir begrüßen, 
Des neuen Jahres neuen Keim. 
Es führe glücklich uns ins Heim 
Und möge endlich Frieden schließen. 
Freitag, den 1. Januar 1915. 
Es gibt keinen Menschen, der daran zweifelt, daß uns das 
heute begonnene 1915 den Frieden bringen wird. Ich aber blicke 
dem Jahr mit Besorgnissen entgegen, was kann mir ein Jahr, 
das mit einem Freitag beginnt, Gutes bescheren? Werde ich ein 
Krüppel werden, werde ich irgendwo hilflos krepieren, wer wird 
mir noch entrissen werden? Qui vivra? 
Der Kaiser hat einen Neujahrswunsch an die Truppen ge¬ 
schickt, und das Kriegsministerium Abt. 5 als Akt Nr. 9072 eine 
Druckschrift „Kriegserfahrungen und Folgerungen für die Aus¬ 
bildung“. Sie umfassen nur vier Seiten, die Kriegserfahrungen 
des Ministeriums, aber man staunt, wieviel Phrasen auf vier 
Seiten gehen. Und selbst diese Phrasen sind in den unterschied¬ 
lichen Reglements längst enthalten, es strotzt von wohlver¬ 
trauten Begriffen wie „moralische Erziehung“, „soldatische 
Pflichttreue“, „opferwillige Hingabe an Monarchen und Vater¬ 
land“, „disziplinäre Schulung“, „äußerste Zähigkeit“, „Hebung 
des kriegerischen Geistes“. Konkret sind eigentlich nur zwei 
Sätze: „Gegenseitiges Beschießen eigener Truppen muß unter 
allen Umständen vermieden werden und darf seitens unserer 
Artillerie niemals Vorkommen.“ Schau, schau! Bisher hat man 
jedenfalls geglaubt, daß gegenseitiges Beschießen eigener Trup¬ 
pen als harmlose Unterhaltung von Infanterie und Artillerie 
erlaubt sei. „Bei Vorrückung im Walde ist Ordnung (fett¬ 
gedruckt) , Einhaltung der Direktion (fettgedruckt) und vor 
allem große Stille (fettgedruckt) erforderlich.“ Wer hätte 
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